Verkaufe Brautkleid, ungetragen (eBook)

Wahre Geschichten
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490429-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verkaufe Brautkleid, ungetragen -  Hannah Winkler
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***Kein Traum in Weiß*** Filmemacherin, Journalistin und Autorin Hannah Winkler hat auf der Suche nach dem perfekten Brautkleid für ihre eigene Hochzeit zunächst das Internet durchforstet. Schnell klickte sie sich durch die gängigen Verkaufsportale und war überrascht, wie viele ungetragene Brautkleider hier zum Verkauf angeboten wurden. Die Kleinanzeigen hätten unterschiedlicher nicht sein können: die meisten verrieten fast gar nichts, einige wenige erzählten hingegen offen von geplatzten Träumen, Enttäuschungen oder überraschenden Schwangerschaften. So entstand die Idee zu einem Buchprojekt über ungetragene Brautkleider. Unzählige Frauen schütteten Hannah Winkler ihr Herz aus. Die Bandbreite der Geschichten war riesig. Und dennoch hatten alle Erzählungen etwas gemeinsam: Die betroffenen Frauen haben ihre Hoffnung nie aufgegeben. Ganz gleich, welche Erfahrungen sie gemacht haben: Der Verkauf ihres Brautkleides war der Schritt in ein neues Leben.

Hannah Winkler wurde 1986 in Delmenhorst geboren und studierte in Bremen und Hannover Journalistik und Fernsehjournalismus. Heute lebt sie in Hannover und arbeitet als freiberufliche Filmemacherin, Journalistin und Autorin für verschiedene Redaktionen. Ihr Spezialgebiet: Persönliche, echte und unverfälschte Geschichten, die berühren und bewegen.

Hannah Winkler wurde 1986 in Delmenhorst geboren und studierte in Bremen und Hannover Journalistik und Fernsehjournalismus. Heute lebt sie in Hannover und arbeitet als freiberufliche Filmemacherin, Journalistin und Autorin für verschiedene Redaktionen. Ihr Spezialgebiet: Persönliche, echte und unverfälschte Geschichten, die berühren und bewegen.

Winkler versteht es, die Geschichten der betroffenen Frauen absolut ehrlich, berührend und zugleich faszinierend zu erzählen. […] Ein Lesetipp nicht nur für angehende Bräute.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne


Leben ist das, was dir passiert,

während du eifrig dabei bist,

andere Pläne zu machen.

John Lennon

Irgendetwas ist anders an diesem Tag. Schon beim Aufstehen spüre ich, dass das kein normaler Samstag werden wird. Am Frühstückstisch bekomme ich kaum einen Bissen runter, ruhelos flüchte ich in Alltagskram und verbringe den Vormittag damit, die Küche und das Bad zu putzen. Ich sortiere den Müll und bringe das Altpapier weg. Danach räume ich endlich mal wieder meinen Schreibtisch auf und gehe einkaufen. So gelingt es mir nach und nach, dieses unruhige, flattrige Gefühl in meinem Bauch etwas zu bändigen.

Doch bereits am späten Nachmittag, meine To-do-Liste ist da gerade abgearbeitet – ich bin übrigens eine große Verfechterin von diesen kleinen gelben Post-it-Zettelchen –, ist es wieder da.

Ich bin gerade auf dem Weg zum Friseur in die Stadt. Es ist Ende Januar, der graue Winterhimmel verspricht wenig Abwechslung, aber mit jedem Schritt werde ich aufgeregter. Dabei habe ich nichts Aufwendiges vor, lediglich ein routinemäßiger Termin zum Spitzenschneiden steht an. Beim Friseur rutsche ich ungeduldig auf meinem Stuhl hin und her und begegne den Smalltalk-Versuchen meiner Friseurin unkonzentriert und einsilbig. Es dauert nur knapp eine Stunde, und dann verlasse ich den Salon auch schon wieder. Als ich in die Bahn in Richtung Zuhause einsteige, beginnen meine Hände plötzlich, ganz leicht zu zittern. Ich bin nervös. Richtig nervös.

Die Fahrt dauert etwa zehn Minuten, dann muss ich noch ein kurzes Stück zu Fuß gehen. Als ich die Eingangstür zu dem Haus öffne, in dem ich mit meinem Freund in der zweiten Etage wohne, zögere ich für einen kurzen Moment. Was ist nur los mit mir? Doch dann verdränge ich das unruhige Gefühl, hole tief Luft und nehme entschlossen die Treppen zu unserer Wohnung.

Angekommen in der zweiten Etage, erkenne ich durch die Glasscheibe der Haustür, dass in unserem Flur Kerzen brennen. Ich halte kurz inne, dann stecke ich den Schlüssel ins Schloss, öffne die Tür und betrete den Flur. An den sonst leeren Wänden hängen unzählige Fotos. Bilder von mir und meinem Freund Jonas. Fotos aus unseren zwei gemeinsamen Jahren. Die Schlafzimmertür ist verschlossen. Doch ich höre die vertrauten Klänge meiner Lieblingsband, ganz leise. Und auf einmal weiß ich, warum ich den ganzen Tag so aufgeregt war. Er wartet hinter dieser Tür auf mich. Ich atme noch einmal tief ein und aus. Dann öffne ich sie – und betrete mein neues Leben.

 

Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich mir diesen Moment immer ausgemalt. Den Moment, in dem mich ein Mann fragt, ob ich ihn heiraten will. Und ich wusste damals auch ganz genau, wie meine Hochzeit und vor allem mein Hochzeitskleid aussehen sollten. Ich wollte in einem Traum in Weiß zum Altar geführt werden oder vielmehr dahin schweben, und mein Liebster sollte bei meinem Anblick zu Tränen gerührt sein. Dann wollte ich die ganze Nacht darin durchtanzen und von allen bewundert werden.

Als ich mit achtundzwanzig Jahren von meinem Freund – der Liebe meines Lebens, meinem Seelenverwandten und engsten Verbündeten – einen Heiratsantrag bekomme, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt und schwebe tatsächlich die nächsten Tage und Wochen drei Zentimeter über dem Boden – mit einem Dauergrinsen im Gesicht. Allerdings habe ich mich über die Jahre des Erwachsenwerdens verändert. Und von meinem romantischen Mädchentraum einer Prinzessinnen-Hochzeit ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Im Gegenteil: Es bereitet mir großes Unbehagen, im Mittelpunkt zu stehen. Ich mag keine Überraschungen. Ich vermeide es, meinen Geburtstag zu feiern. Und ich bekomme nicht gerne Geschenke. In diesen Momenten verspüre ich immer den Drang, mich in Luft aufzulösen.

»Die perfekten Voraussetzungen für eine Hochzeit«, scherze ich, als ich mit meinem Freund – ich korrigiere: Verlobten – beim Japaner ums Eck unseren großen Tag plane. Doch Jonas steht wie immer voll und ganz hinter mir. Und so entscheiden wir in diesem Moment gemeinsam: Wir wollen unsere Liebe mit einer kleinen, feinen Sommerhochzeit zelebrieren. Romantisch und doch ein wenig rustikal soll sie sein. Vielleicht in einer Scheune oder irgendwo in der Natur. Es soll eher ein Fest mit unseren Liebsten sein statt einer großen Hochzeitssause: ohne Hochzeitstanz (zu viel Aufmerksamkeit), ohne Reden (die Gefahr, dass ich rot anlaufe, ist zu groß) und ohne Spiele oder sonstige Vorführungen (ich mag ja nicht mal Spieleabende). Wir beschließen, nur die engsten Freunde und Familienangehörigen einzuladen, planen also mit gerade einmal fünfunddreißig Gästen, was die Situation deutlich entspannter für mich macht.

Doch auf eines möchte ich, obwohl ich in Sachen Hochzeit inzwischen etwas pragmatischer denke als noch zu Kinderzeiten, dennoch nicht verzichten: das Brautkleid.

Zwar würde ich selbst nie Tausende von Euros für ein Kleid über die Ladentheke schieben, aber ich muss zugeben: So ein Brautkleid hat etwas Magisches an sich. Wer dreht sich schließlich nicht um oder bleibt stehen, wenn er eine Frau im Brautkleid sieht. Ich jedenfalls mag die Wirkung und den Anblick dieses Stückes Stoff der Liebe. In keinem anderen Kleidungsstück stecken schließlich mehr Hoffnungen, Wünsche und Träume. Ein Brautkleid ist eben der Höhepunkt einer jeden Hochzeit – und das schon seit mehreren Jahrhunderten.

Es wurde nicht immer in Weiß geheiratet, so wie es heute die meisten Bräute tun, doch das Brautkleid wurde schon immer mit viel Liebe und Bedacht ausgewählt. Bereits im alten Rom trugen die Frauen auf ihrer Hochzeit eine festliche Tunika, etwa knöchellang, kombiniert mit einer gelben Stola, gelben Sandalen und einem ebenfalls gelben Schleier. Das Kleid wurde mit einem hölzernen Gürtel tailliert, der zweimal geknotet wurde. Diesen sogenannten Herkulesknoten musste der Bräutigam nach der Hochzeit lösen.

Im Mittelalter war das Hochzeitsoutfit der Braut nicht weniger prachtvoll. Ganz im Gegenteil: Das Brautkleid galt als Statussymbol und war ein Indikator für Macht, Stellung und Reichtum. Während der Hochzeitszeremonie trug die Braut ein luxuriöses Kleid aus Samt, Seide oder auch Silber- und Goldbrokat, verziert mit auffälligen Applikationen, Stickereien und Halbedelsteinen. Oft wurde auch das Familienwappen in das Kleid eingearbeitet. Beliebte Farben für das Brautkleid waren Blau, Grün und Rot.

Im 16. Jahrhundert wurde dann in allen Schichten der Gesellschaft mit Vorliebe in Schwarz geheiratet. Diese düstere Farbe betonte die Frömmigkeit der Trägerin und war praktisch zu reinigen. Auch konnte ein schwarzes Kleid öfter und eben nicht nur zur Hochzeit getragen werden. Angesagt waren strenge Schnitte und hochgeschlossene Kragen. Gerne trugen die Bräute aber auch lange Schleppen, Spitze und bestickte Schürzen.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde dann erstmals ein weißer Schleier mit in das Hochzeitsoutfit eingebunden, als Kontrast zum schwarzen Kleid. Dieser neue Trend war der Startschuss für den Einzug der Farbe Weiß in den Heiratsmarkt – als Symbol für Reinheit, Jungfräulichkeit und Unschuld. Beliebt waren Kleider mit engem Oberteil und einem Korsett, das die Taille formte. Anfangs war diese Farbwahl jedoch den reichen Bürgern und dem Adel vorbehalten. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren weiße Brautkleider also eher die Ausnahme.

Abwechslungsreich wurde es dann im 20. Jahrhundert. Jedes Jahrzehnt sorgte hier für wechselnde Modetrends. In den zwanziger Jahren war der Charleston-Look angesagt, also gerade, schmale Schnitte, oft mit Beinschlitz. Auch wurden die Kleider in dieser Zeit immer kürzer und reichten zeitweise nur noch bis zum Knie.

Das änderte sich jedoch nach Kriegsende wieder. Die Mode wurde züchtiger, die Kleider wieder länger und weiter. In den fünfziger Jahren wurden dann Petticoats, also weit schwingende Röcke und Kleider, zum Hingucker. Zehn Jahre später wurde der Minirock entdeckt und die Brautkleider wurden immer kürzer. In den achtziger Jahren sehnten sich dann plötzliche alle Bräute nach romantischen Kleidern und wollten wie Lady Di mit einer meterlangen Schleppe zu ihrem Prinzen zum Altar geführt werden.

Heute gibt es in der Hochzeitswelt nichts, was es nicht gibt. Die Hochzeitskleider haben die unterschiedlichsten Schnitte, Materialien und Farben. Die Braut darf jedes Kleid tragen, das ihrem Geschmack und individuellen Stil entspricht.

 

Es vergehen ein paar Monate nach dem Heiratsantrag, bis ich mich selbst das erste Mal dem Thema Brautkleid annehme. Das Datum für unsere Hochzeit steht inzwischen, wir haben uns für den Monat August entschieden, und laut einer Hochzeits-Timeline, die es in irgendeinem Brautmagazin kostenlos gab, sollten Bald-Bräute mindestens ein Jahr vor der Hochzeit mit der Suche nach dem Brautkleid beginnen. Also beschließe ich: Ich brauche ein Kleid. Und zwar am besten sofort.

Doch anders als wohl die meisten Bräute mache ich keinen Termin mit meinen Freundinnen, meiner Mutter, meiner Schwester oder anderen Familienmitgliedern in einem Brautmodenfachgeschäft. Nein, ich schaue zunächst im Internet nach meinem Traumkleid.

Eins steht längst fest: Ich möchte mein Kleid nicht wie üblich nur einmal in meinem Leben anziehen, sondern vielleicht auch noch einmal in den Jahren danach beim Spazierengehen am Strand, auf Cocktail-Partys oder tatsächlich zu meiner eigenen Silberhochzeit (vorausgesetzt,...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2018
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Brautkleid • gebraucht • Geplatzte Hochzeit • Hochzeit • kehrtwende • Kleinanzeigen • Online-Shopping • Qual der Wahl • Schicksal • Second Hand • Trauer • Traum in Weiß
ISBN-10 3-10-490429-4 / 3104904294
ISBN-13 978-3-10-490429-0 / 9783104904290
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