Morrighan - Wie alles begann (eBook)
240 Seiten
ONE (Verlag)
978-3-7517-7423-9 (ISBN)
Vorgeschichte zu den Chroniken der Verbliebenen von Bestsellerautorin Mary E. Pearson
Noch bevor die großen Königreiche der Verbliebenen geboren wurden, die in Kuss der Lüge und Folgebände im Zentrum stehen, kämpfte ein Mädchen darum, zu überleben. Ihr Name war Morrighan. Schon als Kind trifft sie auf einen Jungen aus einem verfeindeten Lager. Beiden ist klar, dass diese Begegnung verboten ist. Und doch treffen sie sich über die Jahre immer wieder und lernen sich immer besser kennen ...
- Poetische Forbidden-Love-Geschichte - voller Romantik und mit einer Magie, die das Herz berührt
- Wunderschön illustriert und hochwertig ausgestattet - das ist das perfekte Geschenk!
- Vorgeschichte zur Trilogie Kuss der Lüge / Das Herz des Verräters / Der Glanz der Dunkelheit
<p><strong>Mary E. Pearson</strong>ist Autorin von YA- und Belletristikromanen. Mit den<strong>CHRONIKEN DER VERBLIEBENEN</strong> hat sie sich weltweit in die Herzen der Fans geschrieben. Auch die Bücher <i><b>DANCE OF THIEVES/VOW OF THIEVES</b></i> sind auf Deutsch bei ONE erschienen. Mit Morrighan erscheint nun endlich auch die Vorgeschichte zu Lias Geschichte als aufwendig gestaltete Schmuckausgabe in Buchform.</p>
Kapitel 7
Morrighan
DIESMAL VERSTECKTE ER SICH nicht im Gestrüpp. Er nahm die Marmorstufen auf beeindruckende Art. Als würden sie ihm gehören. Warum war dieser Plünderer so schwer zu durchschauen? Seine Brust war nackt, und sein Gesicht glänzte. Er hatte gebadet. Nun, da der Schmutz abgewaschen war, hatte seine Haut einen goldenen Farbton, und sein dickes, langes Haar war noch heller. Unter den breiten Schultern wirkte sein magerer Brustkorb recht jämmerlich. Aber der Ausdruck in seinen Augen war wild.
»Ich dachte, du wolltest nicht mehr kommen«, sagte ich und stand zur Begrüßung auf, als er vor mir stehen blieb.
Er betrachtete mich einen langen Augenblick, bevor er antwortete. »Ich komme und gehe, wann und wo es mir gefällt. Warum kennt Harik der Große deinen Namen?«
Es fühlte sich an, als hätte man mir einen Schlag versetzt. Ich hörte im Lager immer wieder Flüstern zwischen den Miadres. Ama und die anderen hassten ihn. Sein Name war wie Gift und durfte nicht in den Mund genommen werden. Der Gedanke, dass er meinen Namen kennen könnte, machte mir Angst. Jafir musste sich irren.
»Er kennt meinen Namen nicht«, widersprach ich. »Er kennt nicht einmal mich. Ich habe ihn nur aus der Ferne gesehen, als er vor langer Zeit unser Lager überfallen hat.« Ich wich zurück. »Und zu deiner Information, Plünderer: Er ist nicht groß. Er ist ein Feigling wie alle –« Ich sprach das Wort, das mir auf der Zunge lag, nicht aus, weil ich fürchtete, dass er wieder davonlaufen oder Schlimmeres tun könnte.
»Wie wir alle?«, beendete er den Satz. »Wolltest du das sagen?«
Warum sind wir hier?, dachte ich. Wir stritten jedes Mal, und doch kreuzten sich unsere Wege immer wieder. Nein, Morrighan, sie kreuzen sich nicht zufällig. Du hast ihn eingeladen, wiederzukommen. Du wolltest dieses Treffen. Ich verstand mich selbst nicht, ebenso wenig wie das, worauf zu vertrauen man mir beigebracht hatte. Die Plünderer waren gefährlich für unseresgleichen, aber ich war ungeheuer neugierig auf diesen hier, der mich vor sechs Jahren verschont hatte, als er selbst kaum mehr als ein Kind gewesen war.
»Jafir«, sagte ich und sprach seinen Namen dabei voller Respekt aus. »Möchtest du etwas lesen?« Und dann, zum Zeichen des Waffenstillstands, verwendete ich das Wort, das er selbst gebraucht hatte. »Ein Buch der Altvorderen?«
Wir lasen eine Stunde lang, bevor er gehen musste. Es war nicht unser letztes Treffen. Die nächsten waren weiterhin holprig und zaghaft. Plünderer und diejenigen, die von ihnen gejagt wurden, besaßen keine Gemeinsamkeiten. Aber hier, verborgen durch lange Wege und abgeschiedene Schluchten, lernten wir, zumindest einen Teil der Personen, die wir waren, hinter uns zu lassen. Unser Vertrauen wuchs und schwand in stürmischen Wellen, aber es gab immer eine wortlose Übereinkunft, dass unsere Treffen ein Geheimnis bleiben würden. Wenn er jemandem davon erzählte, konnte ich sterben. Wenn ich jemandem davon erzählte, würde man mir verbieten, wiederzukommen.
Ich hätte nie gedacht, dass es andauern würde. Schließlich blieb unser Stamm nie länger an einem Ort. Weiterzuziehen war unsere Art zu leben. Bald würden wir das Tal wieder verlassen, in die Ferne aufbrechen, und diese Tage würden gezählt sein. Aber der Stamm brach nicht auf. Es war nicht notwendig. Das Tal lag vollkommen versteckt, und wir konnten Nahrung sammeln und anbauen, ohne uns ständig Sorgen machen zu müssen. Niemanden verschlug es hierher. Aus Tagen wurden Wochen, Jahreszeiten, und aus Jahreszeiten wurden Jahre.
Ich brachte Jafir erst die einzelnen Buchstaben bei und dann ganze Wörter. Bald las auch er mir vor. Er übte Schreiben, indem er mit dem Finger Buchstaben in den Sand malte. »Wie schreibt man Morrighan?«, fragte er. Buchstabe für Buchstabe wiederholte er, während er ihn auf den Boden malte. Ich weiß noch, dass mein Blick lange auf den Buchstaben verweilte, nachdem er sie hingeschrieben hatte. Ich bewunderte die Schwünge und Linien, die sein Finger gezeichnet hatte, und staunte darüber, dass mein Name anders aussah, wenn er ihn schrieb.
Im Laufe der Zeit teilten wir alles miteinander. Seine Neugier war so groß wie meine. Er lebte mit elf anderen Menschen zusammen. Sie waren mit ihm verwandt, er hatte bei den meisten nur keine Ahnung, wie. Fergus erklärte ihm solche Dinge nicht. Sie waren nicht wichtig. Eine Frau namens Laurida behauptete, er sei ihr Sohn, aber er wusste, dass das nicht stimmte. Sie war Fergus’ Frau und erst zum Clan gestoßen, als Jafir schon sieben Jahre alt war – woher sie kam, konnte er nicht sagen. Eines Tages war sie einfach mit Fergus ins Lager geritten und geblieben. Er hatte eine verschwommene Erinnerung an eine Frau, die vielleicht seine Mutter gewesen sein könnte, aber es war nur ihre Stimme, die ihm im Gedächtnis geblieben war, nicht ihr Gesicht.
Er fragte, ob Gaudrel meine Mutter sei. Ich erwiderte, sie sei meine Großmutter – ein Wort, das er nicht kannte. »Die Mutter meiner Mutter«, erklärte ich. »Ama hat mich aufgezogen. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben.«
»Und dein Vater?«
»Ich habe ihn nie kennengelernt. Ama sagt, dass er auch tot ist.«
Jafir presste die Lippen zusammen. Vielleicht fragte er sich gerade, ob mein Vater von den Händen eines seiner Verwandten gestorben war. Wahrscheinlich war es so. Ama würde es mir nie verraten, aber in ihren Augen funkelte immer Zorn, bevor sie das Thema wechselte.
Ich zeigte Neugier in Bezug auf seinen Bruder, aber Jafir zuckte nur die Achseln, als ich nach ihm fragte. Er wies auf eine Narbe an seinem Arm. »Steffan lässt öfter seine Fäuste sprechen als seinen Mund.«
»Dann würde es mir nicht gefallen, ihn kennenzulernen.«
»Mir würde es auch nicht gefallen, wenn du ihn kennenlernst«, gab Jafir zurück. Er machte sich immer lustig darüber, dass ich die Dinge ganz anders ausdrückte als er. Wir lachten beide.
Ich wusste nicht, dass es Freundschaft war, was da zwischen uns entstand. Es schien ganz und gar unmöglich zu sein. Aber ich fand heraus, dass der Junge, der mich einst vor seinen Plündererkameraden versteckt gehalten hatte, zu weiteren Freundlichkeiten fähig war – einem Armband aus Wiesengras, einem angeschlagenen Teller mit goldenem Rand, den er in einer Ruine gefunden hatte. Eines Tages schenkte er mir sogar eine Handvoll Himmel, als ich die Wolken betrachtete, nur um mich lächeln zu sehen. Ein anderes Mal wiederum brachten wir uns gegenseitig zur Raserei, weil wir einfach nicht dieselbe Sprache sprachen, aber wir fingen uns immer wieder und vergaßen den Streit. Wir veränderten uns gemeinsam, unmerklich, jeden Tag mehr, so langsam wie ein Baum, der im Frühling Knospen treibt.
Aber dann, eines Tages, veränderte sich schlagartig alles, auf immer und ewig.
Er hatte an diesem Morgen aus zehn Schritt Entfernung ein Eichhörnchen mit seiner Steinschleuder bewusstlos geschossen und versuchte nun, es auch mir beizubringen, aber Schuss für Schuss verfehlte ich das Ziel um Längen. Er tadelte mich wegen meiner mangelnden Treffsicherheit, und ich warf ihm frustrierte Blicke zu.
»Nein, doch nicht so!«, schimpfte er. Dort, wo er in der Wiese gelegen hatte, sprang er auf und kam zu mir herüber. »So!«, rief er, stellte sich hinter mich und schlang seine Arme um meine. Dann, mit seiner Brust an meinem Rücken, nahm er meine Hände in seine und straffte die Sehne langsam. Er stockte, lange und unangenehm, und es schien ewig zu dauern, aber keiner von uns rührte sich. Ich versuchte zu begreifen, was plötzlich anders war. Sein warmer Atem traf mein Ohr, und ich spürte, wie mein Herz raste, spürte etwas zwischen uns, das vorher nicht da gewesen war. Etwas Starkes und Wildes und Unsicheres. Er ließ meine Hände plötzlich los und machte einen Schritt weg von mir. »Egal«, sagte er. »Ich muss jetzt fort.«
Er stieg auf sein Pferd und ritt grußlos davon. Ich sah ihm nach, bis er außer Sichtweite war.
Ich versuchte nicht, ihn aufzuhalten. Ich wollte, dass er ging.
Das Langhaus summte von Gesprächen, aber ich nahm nicht daran teil. Ich starrte auf die Stützpfosten und das Schilf und die Tierhäute, aus denen wir die Wände gefertigt hatten, während ich die sauberen Kürbisflaschen aufeinanderstapelte.
»Du hast den ganzen Abend kaum ein Wort gesagt. Was ist los, Kind?«
Ich fuhr herum. »Ich bin kein Kind, Ama!«, blaffte ich. »Siehst du das nicht?« Selbst von meinem Ausbruch überrascht, hielt ich die Luft an.
Ama nahm mir die Kürbisflaschen aus der Hand und legte sie beiseite. »Doch«, erwiderte sie sanft. »Das Kind in dir ist fort, und eine … junge Frau steht vor mir.« Ihre blassgrauen Augen glänzten. »Ich wollte es nur nicht sehen. Ich verstehe nicht, wie das so schnell gehen konnte.«
Ich fiel in ihre Arme und klammerte mich an sie. »Es tut mir leid, Ama. Ich wollte nicht gemein zu dir sein. Ich –«
Aber die richtigen Worte, um mich zu erklären, wollten mir nicht einfallen. In meinem Kopf ging es drunter und drüber, und mein Körper fühlte sich nicht mehr wie mein eigener an. Stattdessen brannte die Erinnerung an Jafirs warmen Atem auf meiner Haut heiß in meinem Bauch.
»Mir geht’s gut«, sagte ich. »Die anderen warten.«
Ama zog mich in die Mitte des Langhauses, wo alle anderen sich schon rund ums Feuer niedergelassen hatten. Ich setzte mich zwischen Micah und Brynna. Er war dreizehn und sie zwölf, und die Zwillinge – Shay und Shantal, acht – ließen sich mir gegenüber nieder. Sie kamen mir alle so jung vor. Kinder. Es lagen nur einige...
Erscheint lt. Verlag | 30.8.2024 |
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Reihe/Serie | Chroniken der Verbliebenen |
Übersetzer | Barbara Imgrund |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Morrighan |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Aktion Kulturpass • chosen one • Chroniken der Verbliebenen • enemies to lovers • Erste Tochter • Fantasy • Farbschnitt • Forbidden Love • Gabe • illustriert • Junge Erwachsene • Kaden • kulturpass • Lia • Liebe • Rafe • Romantasy • Slow Burn • TikTok • YA • youngadult |
ISBN-10 | 3-7517-7423-8 / 3751774238 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7423-9 / 9783751774239 |
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Größe: 13,3 MB
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