Vor uns das Leben (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0704-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vor uns das Leben -  Manuela Inusa
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Auf der Reise durch die USA zur ersten großen Liebe! Als ihr Vater bei einem Unfall ums Leben kommt, bricht für die 17-jährige Alice eine Welt zusammen. Monatelang zieht sie sich in ihr Schneckenhaus zurück. Bis sie einen Stapel alter Briefe ihrer Mutter findet, welche die Familie vor Jahren verlassen hat. Alice beschließt, ihre Mutter zu suchen. Mit dem alten Auto ihres Vaters macht sie sich auf den langen Weg durch den Westen der USA. Und dort, auf einsamen Highways, in wunderschönen Nationalparks und aufregenden Städten findet Alice schließlich nicht nur zu sich selbst, sondern auch ihre erste große Liebe.

Manuela Inusa wurde 1981 in Hamburg geboren und ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin, aber schon als Kind wollte sie Autorin werden. Nach ersten Erfolgen im Selfpublishing eroberte sie die Spiegel-Bestsellerliste. Manuela Inusa lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in ihrer Heimatstadt.

Manuela Inusa wurde 1981 in Hamburg geboren und ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin, aber schon als Kind wollte sie Autorin werden. Nach ersten Erfolgen im Selfpublishing eroberte sie die Spiegel-Bestsellerliste. Manuela Inusa lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in ihrer Heimatstadt.

Davor


«Wie war euer Tag?», fragt Dad, sobald wir im Wagen sitzen. Er hat Mika und mich vor der Schule eingesammelt, weil wir heute alle mal wieder schwimmen gehen wollen. Das haben wir schon eine Ewigkeit nicht getan. Für kalifornische Verhältnisse hatten wir die letzten Wochen echt mieses Wetter. Aber seit zwei Tagen sind über fünfundzwanzig Grad, und da hat Dad vorgeschlagen, doch einfach mal ein bisschen im kühlen Nass abzuhängen. Mika war sofort dabei. Ich habe eigentlich eine Million andere Dinge zu tun. Aber weil ich keine Spielverderberin sein will, hab ich mich einverstanden erklärt, für ein paar Stunden mitzukommen, solange ich abends zur Bandprobe kann. Denn es ist wichtig, heute noch mal unser Set einzustudieren, bevor wir morgen auftreten.

«Mein Tag war cool», meint Mika und erzählt irgendwas von ihrer Freundin Annabelle, die Geburtstag hat und Cupcakes für alle dabeihatte. Ich höre nicht richtig hin, weil ich im Kopf die Songliste durchgehe und überlege, ob ich alle Texte draufhabe. Ich bin Mitglied der Ballad Queens. Wir sind vier Mädchen, die sich vor zweieinhalb Jahren zusammengetan haben, um, wie man sich bei dem Namen schon denken kann, Balladen zu singen. Nicht auf die schnulzige Art, sondern immer auch ein bisschen rockig und mit dem gewissen Etwas. Wir treten bei Schulveranstaltungen auf oder bei privaten Feiern unserer Mitschüler, Geburtstagen und so weiter. Diesmal hat uns sogar ein Lehrer engagiert, Mr. Davenport, mein ungefähr vierzigjähriger Englischlehrer, der morgen seine Verlobung feiert. Wir sind schon mega aufgeregt, Ivy, Keisha, Lori und ich, und haben ein ziemlich cooles Programm zusammengestellt. Perfekt, dass unser Repertoire nicht nur aus aktuellen Hits, sondern auch aus gecoverten Neunzigerjahre-Songs besteht, die Mr. Davenport und seine Liebste hoffentlich direkt in ihre eigene Jugend zurückkatapultieren. Damals gab es wirklich gute Musik und beeindruckende Herzschmerz-Melodien, und ich bin froh, dass meinen Bandkolleginnen meine Idee gleich gefallen hat, auch ein paar ältere Songs mit aufzunehmen. Dabei kommt uns natürlich die Tatsache zugute, dass ich so ungefähr jeden Neunzigerjahre-Hit kenne, der je geschrieben wurde, weil mein Dad mir die, solange ich denken kann, vorgespielt und -gesungen hat.

Dad ist selbst in einer Band. Früher war er sogar mal ziemlich erfolgreich und ist in bekannten Clubs im ganzen Land aufgetreten. Jetzt macht er das nur noch hobbymäßig neben seinem langweiligen IT-Programmierer-Job. Er hat eine Mega-Stimme, spielt Klavier und Gitarre, und er hat Mika und mich schon immer ermutigt, auch Musik zu machen. Hat uns dabei geholfen herauszufinden, welches das richtige Instrument für uns ist. Mika spielt also Keyboard, und ich spiele Gitarre. Meine Gitarre ist wie mein dritter Arm, ich glaube, ohne sie würde ich mich fühlen, als wäre mir was amputiert worden.

Dad, Mika und ich spielen oft zusammen, halten Wohnzimmer-Sessions ab. Wir haben ehrlich immer enorm viel Spaß, und manchmal finde ich es gar nicht mal so schlimm, keine Mutter zu haben, weil Dad reicht. Weil er genug ist. Weil er der coolste Dad ist, den man nur haben kann. Meine Freundinnen, deren Väter alt sind und sich auch so benehmen, die Bierbäuche haben, Anzüge tragen und tausend Regeln aufstellen, sind ziemlich neidisch.

«Am Samstag geht sie mit einigen Freundinnen ins Kino und hat mich eingeladen mitzukommen. Kann ich, Dad?», fragt Mika, und ich muss kurz überlegen, worum es noch mal geht. Ah, richtig, Annabelles Geburtstag.

«Klar. Ich fahre dich hin», meint Dad.

«Nicht nötig. Ich werde abgeholt.»

«Umso besser. Hmmm … was fange ich dann nur mit meiner vielen freien Zeit an?», scherzt er und legt grübelnd eine Hand ans Kinn.

«Haha», macht Mika. Sie ist dreizehn und mitten in der Pubertät.

Ich bin aus dem Gröbsten raus. Glaube ich.

Ich bin siebzehn, habe einen festen Freund namens Jaden, die Band, ganz gute Noten (außer Mathe) und nur noch ein Jahr und ein paar Monate Highschool vor mir.

«Und wie war dein Tag, Al?», fragt Dad. Er dreht den Kopf nach hinten, wo ich meistens sitze. Ich mag es, mich auf der Rückbank breitzumachen. Und oft hab ich ja auch meine Gitarre dabei.

«War okay», antworte ich. Wir haben eine Mathearbeit geschrieben, der Tag hatte also von Anfang an nicht allzu viel Potenzial.

«Bist du schon aufgeregt wegen eurem Auftritt morgen Abend?», fragt er. Er guckt jetzt wieder auf die Straße. Da ich direkt hinter ihm sitze, kann ich von ihm nicht viel mehr als sein blondes, ziemlich verwuscheltes Haar sehen. Und Schultern, die in einem schwarzen T-Shirt stecken. Ich tippe auf die Red Hot Chili Peppers oder Aerosmith. Dad hat viele Band-T-Shirts, er trägt kaum was anderes.

«Ehrlich gesagt ja», antworte ich. «Auf einer Verlobungsparty zu spielen ist schon was anderes als auf Tina Andrews’ achtzehnter Geburtstagsparty, wo schon vor dem ersten Song alle betrunken waren.»

Ups.

Ich rutsche ein bisschen nach rechts und sehe im Rückspiegel, wie Dad die Stirn in Falten legt.

«Ich hab natürlich nichts getrunken», füge ich schnell hinzu. «Alle schließt die Band nicht mit ein.»

«Na, dann bin ich ja beruhigt.»

Dad weiß natürlich, was abgeht. Er ist in den Neunzigern aufgewachsen und war auch kein Kind von Traurigkeit. Trotzdem predigt er Mika und mir immer wieder, wir sollen nichts trinken. Mir hat er einmal gesagt: «Und wenn du doch unbedingt mal was trinken musst, dann bitte nur so viel, dass du dich selbst noch unter Kontrolle hast.»

Ich habe es ihm versprochen und mich bisher immer dran gehalten. Weil ich Dad keinen Kummer machen will, denn davon hatte er ehrlich mehr als genug.

 

Wir erreichen das Schwimmbad. Es ist noch nicht so überfüllt wie im Spätfrühling oder Sommer, immerhin haben wir erst Anfang April. Aber ein paar Leute sind da und haben sich mit ihren Decken auf der Wiese ausgebreitet.

Das Freibad ist eigentlich nicht sehr spektakulär. Es wurde bestimmt seit dreißig Jahren nicht renoviert, was aber nicht schlimm ist. Es ist trotzdem zu einem unserer Lieblingsorte bei schönem Wetter geworden, denn es gibt vier verschieden große Becken, ein paar Sprungbretter, Rutschen und das beste Kirscheis der Welt. Findet zumindest Mika, und ich kann ihr nur zustimmen.

Wir bezahlen den Eintritt von sechs Dollar pro Person und suchen uns eine Ecke, wo auch wir unsere Decke ausbreiten. Ich gehe zu den Umkleiden, um in meinen Bikini zu schlüpfen, den ich im Gegensatz zu Mika nicht drunter habe. Dann sammle ich all unsere Wertsachen ein und lege sie in eins der kleinen Schließfächer. Den Schlüssel binde ich mir ums Handgelenk. Als ich zurück zur Decke komme, um meine Klamotten abzulegen, sind Dad und Mika schon nicht mehr da. Ich sehe sie beim großen Becken, wo Mika gerade die Treppe zum Drei-Meter-Brett hochklettert. Dad nimmt sich den Fünfer vor. Mika springt. Dad springt. Beide tauchen lachend wieder auf, und ich lache mit.

Es war eine gute Idee herzukommen. Bei all dem Stress gerade – Bandproben, Mathearbeiten, die Überlegungen, wo ich nächstes Jahr aufs College gehen will, immer mal wieder Streit mit Jaden – wird es mir guttun, ein paar Bahnen zu schwimmen. Ich steige in den länglichen Pool ohne viel Schnickschnack, der sich neben dem mit den Sprungbrettern befindet, zu denen Dad und Mika schon wieder hochklettern. Ich schwimme ein paarmal hin und zurück und schalte ab. Blende alles andere aus, genieße die Sonne und den Tag.

Irgendwann überkommt mich eine unglaubliche Lust auf dieses megaleckere Kirscheis am Stiel, das es nur hier gibt. Ich laufe los, erst zu den Schließfächern, um Geld zu holen, dann zum Kiosk. Mit drei Eis in den Händen schlendere ich zurück zum Pool, beobachte einen Vater mit seinen zwei kleinen Töchtern – wir vor zehn Jahren.

Noch ehe ich bei den Becken ankomme, höre ich Gelächter. Mika und Dad – meine zwei Lieblingsmenschen. Sie sind in dem zweitkleinsten Pool, nur der für Kinder ist noch kleiner und flacher. Mika ist im Wasser, Dad jetzt draußen, in der Nähe vom Beckenrand. Er läuft ein paar Schritte und springt kopfüber hinein. Und dann …

… ist irgendwas überhaupt nicht in Ordnung.

Dad taucht nicht wieder auf.

Scheiße! Das Becken ist gar nicht tief genug für einen Kopfsprung!

Ich lasse das dämliche Eis fallen. Renne los. Rufe nach Dad. Rufe nach Mika. Spüre Panik in mir aufsteigen.

Bestimmt macht Dad nur Spaß und taucht gleich lachend wieder an der Oberfläche auf, aber ich finde das, ehrlich gesagt, überhaupt nicht lustig.

«Dad?», schreie ich, als ich jetzt am Beckenrand stehe. Bilde ich mir das nur ein, oder verfärbt sich das Wasser rot?

«Dad?», ruft auch Mika. Sie taucht unter und dann ist auch sie verschwunden. Kurz darauf schnappt sie nach Luft und schreit mir ganz hysterisch etwas zu. «Ally! Dad hat sich verletzt! Hol schnell Hilfe!»

Das brauche ich gar nicht, denn der Bademeister kommt bereits angelaufen. Er springt rein und zieht Dad nach oben, hievt ihn mithilfe von zwei männlichen Badegästen aus dem Wasser und legt ihn auf die Wiese. Macht Mund-zu-Mund-Beatmung. Klopft Dad auf die Brust. Er blutet am Kopf. Oh Gott, da ist so viel Blut. Und dann spuckt er Wasser aus, und ich denke schon, es ist wie in einem dieser Filme, in denen jemand, der kurz vorm Ertrinken war, nur Wasser ausspucken muss und es geht ihm wieder gut.

Aber dann verliert Dad wieder das Bewusstsein.

Für einen kurzen Moment befürchte ich das Schlimmste. Dann fragt jemand der...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Reihe/Serie Alice & Codys unvergesslicher Roadtrip
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Alice • Arizona • Cody • Coming of Age • Der Sommer als ich schön wurde • Erste Liebe • Erwachsenwerden • Grand Canyon • Jugendbuch • Jugendbuch ab 14 • Jugendbuchreihe • Las Vegas • Mutter-Tochter-Beziehung • Nationalpark • Playlist • Psychische Erkrankung • Roadmovie • Roadtrip • Selbstfindung • Suche nach sich Selbst • The Summer I Turned Pretty • Tod des Vaters • Verlust Vater • westcoast • Westküste USA • Young Adult
ISBN-10 3-7336-0704-X / 373360704X
ISBN-13 978-3-7336-0704-3 / 9783733607043
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich