Der beste Beweis bist du selbst -  Jesmeen Kaur Deo

Der beste Beweis bist du selbst (eBook)

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2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-163-4 (ISBN)
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TJ Powar ist sportlich, beliebt und ein Ass im Debattierklub, in dem sie mit ihrer Cousine Simran meist im Team antritt. Als nach einem gewonnenen Wettbewerb das Siegerfoto der beiden zu einem fiesen Meme verunstaltet wird, das sich über Simrans Körperbehaarung lustig macht, ist TJ schockiert. Sie beschließt, ihre ganz eigene These aufzustellen: »TJ Powar kann ihr haariges Selbst und trotzdem schön sein.« Um das zu beweisen, wirft sie zu Hause Rasierer und Pinzetten weg, cancelt ihre Termine im Waxing-Studio und findet sich schon bald in wortwörtlich haarigen Situationen wieder. Doch ihre sonst so selbstsichere und schlagfertige Art beginnt zu bröckeln, als sie merkt, dass ihr Projekt sie weit mehr kosten könnte als den Platz zwischen ihren Augenbrauen. Es ist ausgerechnet Charlie, ihr härtester und nervigster Debattierkonkurrent, der ihr einige Argumente zum Beweis ihrer These liefert ... Diese Romcom ist der beste Beweis, dass Lovestory, Humor und Gesellschaftskritik zusammenpassen.

Jesmeen Kaur Deo wuchs im Norden von British Columbia, Kanada, auf, wo sie die meiste Zeit ihrer Kindheit mit Tagträumen verbrachte. Sie liebt Bücher, die sie zum Lachen bringen und gleichzeitig an ihren Gefühlen zerren. Wenn sie nicht gerade in Geschichten vertieft ist, fährt sie Rad, spielt Mundharmonika oder kämpft mit dem Öffnen von Gläsern. Der beste Beweis bist du selbst ist ihr Debütroman.

Jesmeen Kaur Deo wuchs im Norden von British Columbia, Kanada, auf, wo sie die meiste Zeit ihrer Kindheit mit Tagträumen verbrachte. Sie liebt Bücher, die sie zum Lachen bringen und gleichzeitig an ihren Gefühlen zerren. Wenn sie nicht gerade in Geschichten vertieft ist, fährt sie Rad, spielt Mundharmonika oder kämpft mit dem Öffnen von Gläsern. Der beste Beweis bist du selbst ist ihr Debütroman.

Kapitel 1


»Ihr habt sechs Minuten.«

Die Stimme des Diskussionsleiters klingt ruhig und klar. Eine erwartungsvolle Stille legt sich über den Raum. Es ist so weit.

TJ Powar nimmt einen gefassten Atemzug und erhebt sich von ihrem Stuhl. Obwohl sie das alles schon unzählige Male getan hat, spürt sie noch immer einen gewaltigen Adrenalinstoß, kurz bevor sie ihre Rede beginnt. Das ist gut so, denn das Adrenalin hilft ihr, sich zu konzentrieren. Gibt ihr Kampfgeist. Doch zugleich sind ihre Handflächen so verschwitzt, dass sie ihre Karteikarten regelrecht im Klammergriff halten muss. Sie hätte sich die Hände vor dem Aufstehen wirklich noch einmal an ihrer Stoffhose abwischen sollen, doch jetzt ist es zu spät.

Sie umschließt die Karten noch etwas fester und lässt ihren Blick über das gebannte Publikum gleiten. Aus dem Augenwinkel heraus kann sie ihre gegenübersitzenden Kontrahenten sehen, eins der Senior-Teams der Whitewater High. Die Jungen haben ihre Beine unter dem schmalen Tisch ausgestreckt. Im rechten Winkel zu den beiden Debattierteams sitzen – an ebenso beengten Tischen – die drei erwachsenen Jurorinnen und der Zeitnehmer, ein verschlafen dreinschauender Neuntklässler, den man wahrscheinlich zu diesem Job gezwungen hat. Neben ihm hat sich der Diskussionsleiter, ein Freiwilliger, auf seinem Stuhl niedergelassen und scheint mit den Gedanken längst woanders zu sein.

Für TJ gibt es jetzt kein Zurück mehr, einer der wichtigsten Momente ihrer Debattierkarriere ist gekommen – hier in diesem muffigen Klassenzimmer.

Zu ihrer Rechten beginnt ihre Partnerin Simran zu hüsteln, ein dezenter Hinweis darauf, dass TJ mit ihren Ausführungen beginnen sollte, anstatt in der Bedeutsamkeit dieses Augenblicks zu schwelgen.

TJ räuspert sich. »Verehrte Jurorinnen, liebe Gäste, werte Kontrahenten –«, beginnt sie und lässt in die letzten Worte einen kaum hörbaren Hauch von Verachtung einfließen, der den Jurorinnen vermutlich nicht auffallen wird, ihren unwürdigen Gegnern aber schon. »Wir von der Pro-Seite vertreten die Meinung, dass das Leben heutzutage besser ist, als es in hundert Jahren sein wird.«

Sie deutet mit einer Geste auf Simran, die gerade ihre Brille putzt. »Meine Partnerin hat Ihnen schon zwei unserer Argumente präsentiert. Erstens: Der Klimawandel verschlechtert die Lebensbedingungen auf der ganzen Welt. Zweitens: Die extreme Polarisierung in der aktuellen Politik deutet auf zunehmende gesellschaftliche Unruhen in der Zukunft hin.«

TJ macht eine bedeutungsvolle Pause, dann fährt sie fort: »Ich werde Ihnen noch zwei weitere Argumente präsentieren, nämlich drittens: Die stetig wachsende Weltbevölkerung wird die Ressourcen der Erde bis zur Erschöpfung strapazieren. Und viertens: Die Menschen werden ein immer rastloseres und isolierteres Leben führen. Doch bevor ich meine Argumente begründe, werde ich erst einmal auf die Schwachpunkte in der Argumentation der Kontra-Seite hinweisen.«

TJ beginnt, das Gesagte des ersten Sprechers der Gegenseite, Nate Chen, zu widerlegen. Mit Leichtigkeit findet sie in einen routinierten Redefluss, bei dem sie in den nächsten Minuten nicht unterbrochen werden darf. Die Regeln erlauben keine Fragen und keine Einwürfe.

Allerdings fällt es TJ schwer, das hektische Gekritzel der Jungen aus dem Kontra-Team zu ignorieren. Das Kreuzverhör, das ihr im Anschluss an ihre Rede bevorsteht, wird ein harter Brocken werden – wie immer mit den beiden. Nachdem Simran heute ihre Argumente vorgetragen hatte, hat Nate seine gesamte Redezeit dazu genutzt, sie in die Mangel zu nehmen. Wie gewöhnlich ist Simran unter Beschuss cool geblieben. Hoffentlich wird TJ das auch gelingen.

Der Zeitnehmer zählt die letzten fünfzehn Sekunden an seinen Fingern ab, während TJ ihre Rede zu Ende bringt. »Danke schön«, sagt sie in Richtung des Publikums, dann wendet sie sich mit finsterer Miene ihren Kontrahenten zu. »Ich stehe jetzt zum Kreuzverhör bereit.«

Der zweite Redner der Gegenseite, Charlie Rosencrantz, erhebt sich und knöpft sein Jackett zu.

»Vielen Dank für deine … höchst interessante Rede«, beginnt er – und wie immer trieft seine Stimme vor Herablassung. »Allerdings habe ich noch ein paar Fragen.«

Klar hat er die. TJ bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck.

»Du hast davon gesprochen, dass das Leben der Menschen in Zukunft isolierter sein wird als heute, doch du hast keinen besonderen Grund dafür genannt.«

Er hält inne. TJ zieht eine Augenbraue hoch. »Ich habe keine Frage gehört.«

»Natürlich nicht«, erwidert Charlie gelassen. »Ich war ja auch noch nicht fertig. Könntest du uns vielleicht erklären, warum wir Menschen im Zeitalter von Facetime, Onlineunterricht und vernetzter medizinischer Versorgung voneinander isoliert werden sollten? Es scheint doch ganz eindeutig das Gegenteil der Fall zu sein.«

»Ich fürchte, da hast du mich missverstanden«, entgegnet TJ – und meint damit eigentlich: Du drehst mir die Worte im Mund um. Dann erklärt sie: »Fortschreitende Technik ermöglicht uns mehr Kommunikation, aber nicht notwendigerweise eine bessere. Die meisten Lehrenden oder Ärztinnen und Ärzte würden ihre Arbeit lieber von Angesicht zu Angesicht ausführen. Und die Social-Media-Konzerne legen keinen Wert auf emotionale Verbindungen und differenzierte Diskussionen. Sie wollen lediglich die Anzahl ihrer Nutzerinnen und Nutzer maximieren. Dafür schrecken sie vor nichts zurück, nicht einmal vor dem Schüren von Anfeindungen und Hass. Daher ist es kein Wunder, dass wir Menschen einsamer sind denn je, obwohl uns die Welt zu Füßen liegt.«

»Du würdest mir also darin zustimmen, dass das Internet von heute schon zu einer Verminderung der Lebensqualität geführt hat?«, hakt Charlie nach.

Verflixt, sie ist in eine Falle getappt. »Nicht in großem Maße«, antwortet TJ ausweichend. »Aber für die Generationen, die mit dem Internet aufwachsen, wird es so sein.«

»Ich verstehe. Der Schaden ist also schon angerichtet – doch darauf werde ich jetzt nicht weiter eingehen.« Charlie spricht so langsam und bedächtig, als würde er mit einem Kleinkind reden. Bei TJ treibt er diese Taktik gern auf die Spitze, weil er weiß, wie sehr ihr das auf die Nerven geht. TJs Augenlid zuckt vor Wut, während er fortfährt: »Welche Ziele hat der politische Aktivismus deiner Meinung nach bisher erreicht?«

Eine unerwartete Frage – und noch dazu eine heikle. TJ setzt ein strahlendes Lächeln auf. »Deine Formulierung ist etwas vage, aber ich würde sagen, die Menschen heutzutage haben insgesamt mehr Möglichkeiten, sich zu äußern und gehört zu werden, als in der Vergangenheit.«

Nate, der trans ist, gibt ein ungläubiges Schnauben von sich, und Charlie steigt ohne zu zögern auf TJs Antwort ein. »Du hast also das Gefühl, die gleichen Chancen zu haben wie deine hellhäutigen, männlichen Altersgenossen?«

Unfair! »Na ja, es gibt immer noch Probleme, aber …«

»Danke. Und bist du nicht der Meinung, dass diese Probleme im Laufe der Zeit gelöst werden könnten? Sagen wir, in den nächsten hundert Jahren?«

»Guck dir die Welt doch an«, gibt TJ zurück. »An so vielen Orten wiederholt sich die Geschichte im Hinblick auf Frauenrechte, religiöse Verfolgung, Rassismus oder LGBTQ+-Diskriminierung. Anderes Datum, gleiches Geschehen. Die Zeit ist kein Heilmittel gegen zeitlose Vorurteile.«

»Aber der kulturelle Trend der letzten hundert Jahre zeigt doch eindeutig eine Verbesserung«, legt Charlie nach. »Lässt sich daraus nicht auf einen allgemeinen Fortschritt schließen?«

»Wir von der Pro-Seite stützen unsere Argumente nicht auf Vermutungen, werter Charlie. Kannst du irgendwelche Fakten oder Beweise vorlegen, die deine Annahme begründen? Oder bist du einfach nur optimistisch?«

»Mir war gar nicht bewusst, dass ich derjenige bin, der im Kreuzverhör steht, verehrte TJ«, kontert Charlie. Ob die Jurorinnen wohl bald eingreifen würden? »Jedenfalls …«

Der Zeitnehmer klopft auf den Tisch. »Zeit ist um.«

Erschrocken fährt TJ zusammen. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass die Warnkarte hochgehalten worden war. Schnell setzt sie sich wieder auf ihren Stuhl, doch Charlie bleibt stehen, weil er als Nächster dran ist.

»Verehrte Jurorinnen, werte Kontrahentinnen, liebe Gäste«, beginnt er seine Rede. »Die Pro-Seite hat ein paar … kuriose Argumente vorgelegt.« TJ kann sich gerade noch beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen, denn beim letzten Mal hat sie dafür einen ordentlichen Punktabzug bekommen. »Das pessimistische Zukunftsbild meiner Gegenspielerinnen ergibt sich aus ihrem Blick auf die Vergangenheit. TJ und Simran führen historische Beispiele an, um Sie von ihrer Meinung zu überzeugen. Doch in Wahrheit lassen sich immer Fakten und Statistiken finden, die jede beliebige Behauptung untermauern. Wir von der Kontra-Seite vertreten daher die Ansicht, dass Zahlen ohne Kontext nicht aussagekräftig sind. Also lassen Sie uns kurz den Kontext dieser Debatte betrachten.«

Er macht eine wohlplatzierte Pause. »Veränderungen brauchen Zeit und kosten Kraft. Das war schon immer so. Doch trotz allem hat sich unsere Gesellschaft in den letzten hundert Jahren zum Fortschritt hin entwickelt. Alles, was wir brauchen, um diesen...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Übersetzer Meritxell Janina Piel
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte body hair • Body-Positivity • Debattieren • Debattierklub • Feminismus • Freundschaft • Haare • Liebesgeschichte • Punjabi • Rivals to Lovers • romcom • Schlagfertig • Schönheitsideal
ISBN-10 3-03880-163-1 / 3038801631
ISBN-13 978-3-03880-163-4 / 9783038801634
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