Warrior Girl Unearthed (eBook)
448 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-29336-9 (ISBN)
Perry Firekeeper-Birch weiß ganz genau, wer sie ist: der entspanntere Zwilling, die Unruhestifterin, die beste Anglerin auf Sugar Island. Ihre Pläne führen sie nie zu weit weg von ihrem Zuhause und sie würde es nicht anders haben wollen. Aber dann verschwinden plötzlich indigene Frauen aus Perrys Umfeld. Ihre eigene Familie wird in die Ermittlungen zu einem Mord hineingezogen und gierige Grabräuber versuchen aus Artefakten, die rechtmäßig Perrys Anishinaabe Tribe gehören, Profit zu schlagen. Und Perry beginnt, alles infrage zu stellen. Kurzerhand beschließt sie, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Doch bei ihrem Plan gerät Perry ins Kreuzfeuer alter Rivalitäten und Geheimnisse und sie ist sich nicht sicher, ob sie die Wahrheit herausfinden kann, bevor ihre Vorfahren und die verschwundenen Frauen für immer verloren sind ...
Nach dem Sensationserfolg von »Firekeeper's Daughter« folgt nun das zweite Buch von New-York-Times-Bestsellerautorin Angeline Boulley über eine Native American, die einen Weg finden muss, ihre Ahnen nach Hause zu holen.
Angeline Boulley, registriertes Mitglied des Sault Ste. Marie Tribes der Chippewa Indians, ist eine Erzählerin, die über ihre Ojibwe-Gemeinschaft auf Michigans Oberer Halbinsel schreibt. Vor ihrer Karriere als Autorin war sie als Direktorin für das Office of Indian Education am U.S. Department of Education tätig. Sie lebt im Südwesten von Michigan, aber ihr Zuhause wird immer auf Sugar Island sein. Ihr Debütroman »Firekeeper's Daughter« schaffte es auf Anhieb auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste.
Kapitel 1
Montag, 9. Juni
Ich rase mit dem Jeep über Sugar Island. Meine Schwester und ich teilen uns das Auto. Die aufgehende Sonne zu meiner Linken ist schon über der Baumgrenze. Ich verstelle die Sonnenblende, um das grelle Licht abzuschirmen. Genau das sollten umsichtige Fahrer tun: Ablenkung möglichst vermeiden.
Ich konzentriere mich auf die Straße und halte Ausschau nach dem Schild des Cultural Camps. Pauline neben mir verrenkt sich fast den Hals, um zu sehen, wie viel der Tacho anzeigt. Sie schüttelt den Kopf und seufzt. Ich nehme es als Herausforderung und schalte sanft in den fünften Gang, während ich abbiege. Die Reifen quietschen.
»Denk daran, was Auntie Daunis gesagt hat«, warnt sie mich.
»Du meinst über unser Geburtstagsgeschenk mit der Extraportion Ermahnung?«
»Alles Gute zum Sechzehnten, meine Süßen.« Pauline imitiert Aunties Stimme, die etwas tiefer ist als ihre eigene. »Viel Spaß mit dem braven Pony, aber …«
Ich unterbreche sie fast schon knurrend: »Aber, dass eines klar ist: Wenn ich euch bei irgendwas Verrücktem erwische, hole ich mir den Jeep zurück und trete euch in den Arsch.«
Wir lachen in zwillingstypischem Einklang.
Ich erwähne nicht, was Auntie nur zu mir gesagt hat: Und dazu gehört auch Rasen.
»Warum hast du es so eilig?«, fragt Pauline. »Ist ja nicht so, dass du was zu tun hättest.«
Niemand kann mir so auf die Nerven gehen wie meine Schwester. Ich funkle sie an.
»Moment mal. Bist du immer noch angepisst wegen letzter Woche? Ernsthaft? War es für die arme Perry so eine Qual, eine Woche lang ein paar Universitäten zu besuchen? Die Tour hätte dich inspirieren sollen.« Sie zieht das Wort in-spi-rie-ren in die Länge.
»Das hat mich eine Woche Angeln gekostet!«
Sie schnaubt. »Besser, du wärst zu Hause geblieben. Dann hätten wir nicht Elvis Juniors Atomfürze ertragen müssen.«
Sie hat recht. Ich habe unseren stinkenden Hund, der von gekochtem Essen höllische Blähungen bekommt, als Waffe benutzt. Ich verkneife mir ein Grinsen. Auf einem verblichenen Schild entziffere ich, dass das Sugar Island Ojibwe Tribe’s Cultural Camp eine Viertelmeile entfernt ist.
»Oh my God.« Pauline spürt noch immer meinen Ärger, gibt sich aber nicht geschlagen. Mit einer zusätzlichen Silbe genuschelt, klingt es wie Gaaw-duh. »Es waren doch nur ein paar Unis.«
»Neun Universitäten.« Ich wiederhole die Anzahl auf Ojibwemowin. »Zhaangaswi!«
Sie zuckt bei meinem scharfen Ton zusammen. Ohne hinzusehen, spüre ich ihren Blick auf mir. Meine Stimme wird sanfter, während ich abbremse, um abzubiegen.
»Pauline, das waren neun Universitäten, die mich sowieso niemals aufnehmen würden, selbst wenn ich es wollte. Was nicht der Fall ist.« Ich trete auf die Bremse und setze den linken Blinker, weil man nie weiß, wer einen beobachtet und es Auntie direkt erzählen würde. »Ich möchte nirgendwo anders sein als auf Sugar Island.«
»Du willst Sugar Island nie verlassen?«, fragt sie in ihrer üblichen erstaunten, verurteilenden Art. »Überhaupt nie?«
»›Überhaupt nie‹ klingt gut«, sage ich beim Abbiegen.
»Es gibt noch andere Unis, die dir gefallen könnten! Mackinac State College ist mein Plan B, du könntest dich dort bewerben.«
»Nope, alle Denkmäler an diesen Schulen sind alte Zhaaganaash-Typen. Keine Natives. Kolonisten. Willst du tatsächlich an einer Uni studieren, an der Frauen und PoC unsichtbar sind?«
Pauline ignoriert mich und prüft stattdessen, ob vielleicht eine Haarsträhne aus ihrem fest gewundenen Knoten aus tiefschwarzem Haar herausgerutscht ist. Sie legt eine Hand an ihr Ohr und reibt die Stelle.
»Du siehst gut aus, Egg«, versichere ich ihr.
Sie rollt mit den Augen, als sie ihren heimlichen Spitznamen hört, lässt aber ein winziges Lächeln durchblitzen.
Die schmale Schotterstraße ist ein Hindernisparcours aus Kurven, Senken und Unebenheiten, der sich über eine Ewigkeit erstreckt. Sie endet in einer Wendeschleife vor einer abbruchreifen Blockhütte. Früher organisierte unser Tribe hier Camps, bei denen wir lernten, Felchen zu räuchern und Ahornsirup herzustellen.
»Warum lässt der Tribe die Sommerpraktikanten für die Einführung hierherkommen anstatt in das fancy neue Camp in der Stadt? Ist dieser Ort nicht verflucht?«, frage ich und fahre vor den Eingang.
Wie immer hat meine Schwester auf alles eine Antwort.
»Kein WLAN. Kein gescheites Netz.« Sie schaut in den Spiegel an der Sonnenblende und trägt ihren schimmernden pfirsichfarbenen Lippenstift auf. Er setzt sich von ihrer dunklen Haut ab. »Damit wir ohne Ablenkung in die Kultur eintauchen können.«
»Wohl mehr in Moskitoschwärme.« Ich greife nach dem Insektenspray in der Mittelkonsole.
Pauline nimmt es, bevor sie die Tür aufmacht. Sie winkt einer Gruppe Mädchen zu, die genau wie sie angezogen sind, kurze Jumpsuits mit Blumenmuster und Wedge Sneaker. Sie umarmen sich, als hätten sie sich ein Jahr nicht gesehen und nicht eine Woche.
Meine Schwester bietet Mückenschutz an und wird für ihre Voraussicht gefeiert. Sie streckt ihr langes, schlankes braunes Bein aus, das mit schimmernder Bodylotion eingecremt ist, damit es jemand mit dem Moskitokiller einsprüht.
Ein lauter Schlag lässt mich zusammenfahren.
Lucas Chippeway steht vor dem Jeep. Seine Handfläche schwebt über der dunkelgrünen Motorhaube und es folgt ein zweiter kräftiger Schlag. Bevor er mit einem Drumsolo loslegen kann, drücke ich auf die Hupe.
»Beweg dich, Lucarsch«, sage ich.
Er zeigt ein schräges Grinsen, weswegen ihn alle zum Hottie erklärt haben, außer Pauline und ich.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich konnte Pauline heute Morgen nicht mitnehmen. Ich habe bei Granny übernachtet und war nicht sicher, ob ich rechtzeitig wieder auf der Insel sein würde.«
Lucas nickt drei Mädchen zu, die gerade Selfies machen, sie aber erst später werden posten können. Sie kichern, bevor sie ihm den Rücken zudrehen. Er tut, als bemerke er nicht, dass sie es darauf anlegen, sein schelmisches Lächeln und seinen trainierten Körper mit auf dem Foto zu haben.
»Tut es dir leid, dass du keinen Praktikumsplatz bekommen hast?« Er kommt zu meinem Fenster geschlendert. »Vierhundert die Woche, zehn Wochen lang. Ganz schön Kohle.«
»Es tut mir kein bisschen leid, dass ich mich vor den Vorstellungsgesprächen gedrückt habe, um angeln zu gehen.« Ich lache über meinen eigenen Witz und füge bitterernst hinzu: »Aber rat mal, was passiert ist. Pauline hat den Praktikumsplatz im Tribal Council bekommen. Sie ist die einzige Highschool-Schülerin, die in den vier Jahren, seit es das Kinomaage-Sommerpraktikumsprogramm gibt, dort aufgenommen wurde.«
Ich mache mich gerne über meine Schwester lustig, aber nur vor Lucas, niemals vor anderen.
»Ich hab so was gehört. Soll ich sie trotzdem danach fragen?« Zerstreut schnipst er einen Moskito weg, der es gewagt hat, auf seiner braunen Haut zu landen.
»Ja, mach mal. Sag ihr, dass die Praktikantenstellen nach Noten vergeben wurden. Das habe ich Mom und Pops erzählt, damit sie mich nicht nach meinen Vorstellungsgesprächen fragen.«
Pauline ruft nach Lucas und geht zur Blockhütte.
»Ich muss los, Pear-Bear. Sorry, muss scheiße sein, nicht ich zu sein.« Er zeigt wieder sein typisches Lächeln.
»Too bad. So sad. Gonna fish with my dog and my dad«, jamme ich zu M.I.A.s Bad Girls.
Wieder auf der Straße drücke ich aus einem unschlagbaren Grund aufs Gas: einfach so. Einfach, weil der Jeep den ganzen Tag mir gehört, während Pauline bei der Praktikumseinführung ist. Einfach, weil ich den Fisch schon schmecken kann, den ich fangen und heute Abend braten werde. Einfach, weil ich die Collegebesuche letzte Woche überlebt habe, für die meine ersten kostbaren Ferientage draufgegangen sind.
Ich trillere ein leidenschaftliches, schrilles Lee-Lee zum Auftakt des Perry-Firekeeper-Birch-Chill-out-Sommers. Mein offenes Haar fliegt mir um den Kopf wie ein Tornado. Ich drehe die Musik auf und singe mit M.I.A.
»Live fast, die young. Bad girls do it well.«
Da vorne überquert jemand die Straße. Ich erkenne den dünnen, langgliedrigen Typen ganz in Schwarz. Stormy Nodin war Uncle Levis bester Freund. Ich tippe die Bremse an und drehe die Musik leiser.
»Aaniin«, begrüße ich ihn.
Er hebt zur Bestätigung lediglich sein Kinn.
»Ando-babaamibizodaa«, biete ich ihm an, obwohl er meine Angebote, ihn mitzunehmen, bisher noch nie angenommen hat.
Mit einer schnellen Handbewegung lehnt er ab.
Ich probier’s mit einer anderen Einladung, dieses Mal zum Fischessen heute Abend.
»Onaagoshi wiisinidaa. Giigoonh gi-ga-miijimin.«
Sofort nimmt er die Einladung mit einem Kopfnicken an. Hoffentlich bringt mir mein Lieblingsangelplatz Glück und die Fische beißen heute an. Stormy Nodin hat nämlich, auch wenn er noch so dünn ist, einen gesunden Appetit.
»Baamaapii«, sage ich und winke ihm zu.
Die Reifen lassen den Kies aufspritzen, als ich davonbrause.
Der dicke schwarze Hund kommt aus dem Nichts. Kein Hund. Ein Bärenjunges. Es rennt über die Straße.
Blankes Entsetzen packt mich. Während mein Fuß das Bremspedal berührt, spule ich auch schon die Ratschläge meiner Eltern im Kopf ab.
Bremsen. Langsamer.
Bremsen. Nicht...
Erscheint lt. Verlag | 22.11.2023 |
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Übersetzer | Petra Bös |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Warrior Girl |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2023 • ab 14 • All Age • Angie Thomas • Cherie Dimaline • Diversity • eBooks • Firekeeper's Daughter • Jugendbuch • Jugendbücher • Karen McManus • Kinderkrimi • Mystery • Mystery Neuerscheinung 2023 • Native Americans • Netflix • Neuerscheinung • New York Times Bestseller • Ocean's Eleven • Ojibwe • own voices • poc • Reservation Dogs • Rutherford Falls • starke Heldin • Thriller • Thriller Neuerscheinung 2023 • Tomb Raider • tommy orange • wind river • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-29336-7 / 3641293367 |
ISBN-13 | 978-3-641-29336-9 / 9783641293369 |
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