Du bringst mein Leben so schön durcheinander (eBook)

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2019 | 1. Auflage
352 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-62168-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Du bringst mein Leben so schön durcheinander -  Claire Christian
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Eine poetische Liebesgeschichte für alle Fans von 'Eleanor & Park' und 'Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken' Ava und Gideon könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein. Ava ist das beliebteste Mädchen der Schule und Gideon der schüchterne Junge von nebenan. Gemeinsam haben sie nur eines: Ihr Leben ist aus unterschiedlichen Gründen aus dem Takt geraten. In der Schule lagen Welten zwischen ihnen, aber beim Nebenjob im Schnellrestaurant lernen die beiden sich kennen. Ava mag Gideon sofort, weil er anders zu sein scheint. Zum Beispiel als er zugibt, weder ein Handy noch Internet zu haben und vorschlägt, stattdessen Briefe zu schreiben. Ganz zart entspinnt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, in der sie sich gegenseitig Halt geben und miteinander lachen können. Als aus der Freundschaft Liebe wird, wird noch einmal alles kräftig durcheinandergewirbelt.

Claire Christian erzählt Geschichten: in Gedichten, Theaterstücken und Romanen. Sie feiert große und kleine Erfolge mit ihrer Arbeit und nimmt sich doch immer Zeit für den Kunstnachwuchs - so arbeitet sie gemeinsam mit Jugendlichen an den verschiedensten Projekten und hat schon ganze Theaterstücke mit ihnen auf die Beine gestellt. Für ihr Jugendbuchdebüt 'Du bringst mein Leben so schön durcheinander' erhielt sie 2016 den wichtigen australischen Text Prize. Claire Christian lebt in Brisbane.

»Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier in der Schule von Mount Saint Michaels eine Gemeinschaft sind.« Die dreieckigen Augenbrauen von Mrs Bryan unter ihren öligen, mit Gel nach hinten gekämmten Haaren wirken sehr ernst. »Und wenn eines der Mitglieder unserer Gemeinschaft zu Fall kommt, müssen wir zusammenhalten. Einer muss dem anderen auf die Füße helfen.« Kurze Schweigepause. »Dieser Baum soll uns als Erinnerung daran dienen.«

Dann räuspert sie sich, aber ich weiß nicht, was sie als Nächstes sagt, weil ich schreie. Mein Körper katapultiert sich vom Stuhl, aus meinem Mund bricht ein so wütendes Gebrüll, dass ich beinahe Angst vor mir selbst bekomme.

»Sie ist nicht gefallen, sie ist gestorben! Sie ist tot!«

Eine Welle scheint über die Zuhörer hinwegzugehen, siebenhundert Köpfe wenden sich in meine Richtung, alle sehen mich an.

»Und ein Baum? Im Ernst jetzt? Sie hat die Natur gehasst!« Ich brülle Mrs Bryan an, die in ihr Mikrofon brummelt, dass die Schüler sich wieder setzen sollen.

Der Zorn, den ich spüre, ist anders als alles, was ich je empfunden habe – jedes einzelne meiner inneren Organe möchte am liebsten aus meinem Körper springen und um sich beißen wie ein tollwütiger Hund, und das liegt an den Dingen, die hier über sie gesagt werden. Oder nicht gesagt werden. Das, was hier nicht gesagt wird, macht mich so sauer. In den letzten sechs Monaten habe ich es ganz gut hingekriegt, cool zu bleiben, aber heute, als sie angefangen haben, über diese dämliche Gedenktafel zu reden, die auf diesem dämlichen Betonklotz neben diesem dämlichen Baum angebracht wurde, diesem Scheißbaum – ach ja, es hat ja so lang gedauert, den zu pflanzen, und jetzt tun sie so, ich weiß nicht, sie tun so, als wäre das eine Riesenleistung – sie tun so, als wäre es ihnen nicht scheißegal –, da habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten.

»Und wenn Sie schon über sie reden müssen, dann nennen Sie doch wenigstens ihren Namen.«

Geflüster und Gekicher wälzt sich durch den Raum wie eine Lawine. Mrs Bryan brüllt jetzt auch, versucht sich gegen die Übermacht zu wehren. Ich bin in der Mitte einer Sitzreihe eingeklemmt, klettere über diejenigen, die neben mir sitzen, hinweg, rede dabei vor mich hin wie durchgeknallt. Der Typ mit den abstehenden Ponyfransen kneift mich in den Hintern, ich wirble herum und versetze ihm einen Schlag auf die Brust. »Scheiße, meinst du das ernst?«, schreie ich ihm ins Gesicht und ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich bei dem, was da in seinen winzigen blauen Augen zu sehen ist, um ernsthafte Angst handelt.

Als ich endlich den Durchgang erreiche, mitten zwischen den wogenden Schülergruppen, die sich zwar jetzt beruhigt haben, mich aber immer noch anstarren, bleibe ich wie angewurzelt stehen.

Mach irgendwas, Ava.

Mrs Bryan funkelt mich so an, als möchte sie mich mit Blicken töten, und dann breche ich einfach in Gelächter aus. Sag irgendwas, Ava. Hör auf zu lachen. Aber ich kann nichts dagegen tun. Mir ist sehr bewusst, dass ich garantiert aussehe, als käme ich aus der Klapsmühle. Aber das ist mir egal.

Ich streiche mir die Haare zurück und schüttle den Kopf, als ich den ganzen Saal anspreche. »Und wisst ihr, was an der ganzen Sache die schlimmste Beleidigung ist? Dieser Chor, der das dämliche Lied von Miley Cyrus singt – das, in dem es darum geht, wie sie in ihrer Erinnerung irgendeinen bekloppten Berg bestiegen hat – wenn sie das gehört hätte, dann hätte sie sich garantiert am liebsten gleich noch mal umgebracht.«

Im ganzen Saal brandet Gelächter und Gejubel auf.

»Ach, leckt mich alle am Arsch!«, brülle ich abschließend, drehe mich auf den Fersen um, marschiere durch den Saal nach hinten, direkt durch die zweiflügelige Tür hindurch. Ich höre, wie sie hinter mir mit einem Knall zufällt.

Super hingekriegt, Ava.

Ich habe mir gerade heute Morgen geschworen, dass ich versuchen würde, eins dieser stillen, unauffälligen Mädchen zu sein, die sich ihrer Umgebung anpassen. Ich habe sogar mit schwarzem Filzstift »sei farblos« auf meinen Handrücken geschrieben, als Erinnerungsstütze. Seit ich wieder in die Schule gehe, glotzen mich die Leute an, flüstern, zeigen mit dem Finger auf mich, so feinfühlig wie ein Schlag mit dem Dampfhammer mitten ins Gesicht. Ich habe überlegt, ob ich mir nicht ein T-Shirt bedrucken soll: Meine beste Freundin ist tot, tut mir leid, wenn dir das unangenehm ist. Aber die Druckertinte war alle. Na ja, indem ich aus meinem Sitz hochgeschossen bin und aus vollem Hals gebrüllt habe, habe ich vermutlich eine ähnliche Wirkung erzielt.

Ich besuche erst seit einem Monat wieder ganztägig die Schule, davor bin ich ein paar Wochen lang nur unregelmäßig hingegangen, und das auch nur, weil ich musste. Wenn ich es hätte entscheiden können, dann wäre ich niemals wieder hingegangen. Ich hätte noch eine kleine Abschiedsvorstellung gegeben, zum Beispiel mit Unkrautvernichter einen dicken Stinkefinger ins Gras gesprüht oder so etwas. Aber Mrs Bryan und die anderen Lehrer haben einen Riesenaufstand gemacht, das sei doch jetzt die elfte Klasse und ich würde den ganzen Stoff verpassen, und meinem Vater fielen allmählich keine Argumente mehr ein, mit deren Hilfe er sie mir noch weiter vom Hals halten konnte. Die letzten Wochen fließen in meiner Erinnerung zu einem einzigen verwischten Bild zusammen – da sitze ich und versuche, mich zu konzentrieren, oder plappere einfach irgendwas. Oder ich schalte einfach komplett ab, wenn jemand mich zutextet, dass er ja genau weiß, wie ich mich fühle, weil irgendwann ja auch seine Omi gestorben ist oder das Tantchen oder damals der Scheißköter, da waren sie ja auch so traurig blablabla. Aber keiner hat auch nur einen blassen Schimmer. Nicht meine Oma ist gestorben, nicht meine Tante, nicht mein Hund oder meine Katze – sondern Kelly. Meine beste Freundin. Es gibt keine Worte, die ausdrücken können, wie sich das anfühlt, und ich möchte auch gar nicht darüber reden, wie es sich anfühlt, weil alles, was seither passiert ist, alles jetzt im Moment, einfach nur richtig, richtig scheiße ist, und irgendwelche Quadratgleichungen ergeben nicht den leisesten Sinn, wenn dir von Kopf bis Fuß alles wehtut. Wenn diese schreckliche Traurigkeit dich vollkommen betäubt.

Eigentlich fühlt es sich so an, als würde die Zeit langsamer vergehen. Vor ihrem Tod kam es mir auch schon so vor, als würde sich ein Schultag unglaublich in die Länge ziehen. Aber jetzt habe ich das Gefühl, die Zeit ist einfach mit ihr gestorben. Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass alle sich so aufführen, als wären sie sauer auf sie, weil das passiert ist, und sie sind sauer auf mich, weil ich mich einfach nicht damit abfinden kann, dass es passiert ist. Aber es sind doch erst sechs Monate vergangen. Das ist nichts. Ich vermute, ich werde mich für den Rest meines Lebens so fühlen.

Als ich an Kellys Elternhaus ankomme, öffne ich das Seitentor und marschiere an den Mülltonnen vorbei in den Hof. Lincoln sitzt im Innenhof auf dem Boden. Er trägt nichts außer seiner Unterhose.

»Was machst du da?«, frage ich.

Lincoln zuckt zusammen. Erkennt, dass ich es bin, und entspannt sich. »Mum hackt dauernd auf mir herum, weil meine Klamotten nach Rauch stinken.«

»Und?«

»Und jetzt stinken sie nicht.« Er zieht kräftig an seiner Kippe.

Ich versetze ihm einen kleinen Tritt und setze mich neben ihm. »Kluges Kerlchen.«

Ich beobachte, wie sich sein Brustkorb beim Atmen leicht hebt und senkt. Seine braune Haut strafft sich über seiner Brustmuskulatur. Es ist nicht dran zu rütteln, er ist sexy wie nur irgendwas. Aber nicht so normal gut aussehend; eher schon ein bisschen übertrieben schön, wie ein Model. Er könnte sich für einen Surfer-Katalog ablichten lassen, nur in Badehosen und selbstverständlich mit nacktem Oberkörper. Er hat ein kantiges Kinn und große, braune, tragische Augen, die sofort auffallen, weil er seine Haare immer ganz kurz rasieren lässt.

Die Mutter von Lincoln und Kelly ist voll aggressiv, seit Kelly tot ist. Wir sind früher richtig gut miteinander ausgekommen. Sie war fast so etwas wie meine Mum. Aber ungefähr einen Monat nach der Beerdigung fing das an. Ich hatte immer deutlicher das Gefühl, dass sie es hasste, in meiner Nähe zu sein. Dad meint, es liegt daran, dass ich sie an Kelly erinnere. Er sagt, es muss für sie total schwierig sein, und das verstehe ich, aber ich vermisse sie einfach, ich vermisse alles, mein ganzes früheres Leben. Jetzt kann ich nur vorbeikommen, wenn sie nicht zu Hause ist. Wenn Tina mich hier antreffen würde, dann würde sie ausrasten, und wenn sie das von Lincoln und mir rauskriegen würde, dann würde sie vermutlich völlig durchdrehen. Ich möchte nicht, dass sie wegen mir unglücklich ist, aber es lässt sich nicht ändern. Ich bin einfach gerne hier, der Geruch in diesem Haus ist mir so vertraut, eine Mischung aus Kokosöl und Lavendel und Staub. Ich weiß, wo in der Küche alles steht, und wie man so auf die Bodenbretter treten kann, dass sie nicht knarren. Wenn ich hier bin, habe ich nicht mehr so stark das Gefühl, dass ich abnormal bin, und das ist an sich schon abnormal, weil in ihrem Haus im Moment alles völlig abnormal ist.

»Du warst nicht in der Schule«, sage ich. Mir fällt es jetzt auf, wenn er nicht da ist. Früher habe ich es überhaupt nicht bemerkt.

»Nee.« Er zögert kurz, dann sagt er: »Aber du warst da, habe ich gehört.«

O ja, selbstverständlich hat er davon gehört.

Ich atme laut aus und wende mich von ihm ab, reibe mir mit der Hand die Stirn.

»Möchtest du. Darüber. Reden?«

»Lincoln, du möchtest nicht...

Erscheint lt. Verlag 11.2.2019
Übersetzer Bettina Obrecht
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Original-Titel Beautiful Mess
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Colleen Hoover • Depression • Eleanor & Park • Jugendbuch • Kintsugi • Liebe • Poesie • Poetry Slam • Romantik
ISBN-10 3-522-62168-9 / 3522621689
ISBN-13 978-3-522-62168-7 / 9783522621687
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