Verloren in der Wildnis (eBook)

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2013 | 1. Auflage
336 Seiten
Thienemann Verlag GmbH
978-3-522-61013-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verloren in der Wildnis -  Bobbie Pyron
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Abbys bester Freund ist ihr Hund Tam, der immer in ihrer Nähe ist. Aber ein schlimmer Autounfall Hunderte Kilometer von zu Hause reißt die beiden auseinander. Abby wird schwer verletzt, Tam wird von der Ladefläche des Autos geschleudert. Auch er überlebt, doch niemand kann ihn finden. Abby gibt die Hoffnung nicht auf, dass sie ihren Hund eines Tages wiederbekommen wird. Und auch Tam macht sich auf die verzweifelte Suche nach ihr. Wochenlang, monatelang läuft er durch die Wälder der Blue Ridge Mountains. Er kennt das freie Leben in der Wildnis nicht, dann wird es auch noch Winter. Tam kommt an seine äußersten Grenzen ... Biografie: Bobbie Pyron studierte Psychologie und Anthropologie und ist Diplom-Bibliothekarin. Sie engagiert sich als Bibliothekarin in verschiedenen Verbänden und mochte schon immer alle Arten von Kinderbüchern. Sie lebt mit ihrem Mann in Park City, Utah.

Bobbie Pyron studierte Psychologie und Anthropologie und ist Diplom-Bibliothekarin. Sie engagiert sich als Bibliothekarin in verschiedenen Verbänden und mochte schon immer alle Arten von Kinderbüchern. Sie lebt mit ihrem Mann in Park City, Utah.

Ich saß auf der Fensterbank in meinem Zimmer und lauschte der Stille. Kein Klingeln der Marken an Tams Hals band, kein Klicken seiner Krallen auf den Holzböden. Nichts als elende Stille. Ich fühlte mich durch und durch mies. Die zwei Tage, seit wir wie der zu Hause waren, kamen mir vor wie zwanzig Tage.

Meine Au gen blieben an der alten Gitarre in der Ecke hängen. In den drei Jahren, in denen ich Tam besaß, hatte ich sie so gut wie nie angefasst. Ich war mit meinem Hund viel zu beschäftigt gewesen.

Jetzt, wo meine Arme und mein Herz leer waren, wollte ich die Gitarre unbedingt in den Händen halten. Ich wollte ihr tröstliches Gewicht spüren und ihre Saiten summen hören.

Ich war gerade da bei, mich zu erheben, als es klopfte. Meemaw öffnete die Tür. Sie stand groß und kerzengerade wie eine Kiefer da. Den langen Zopf hatte sie wie eine leuchtende Krone um den Kopf gewunden.

»Abby, mein Schatz, du hast Besuch«, sagte sie.

Ich ließ mich wie der auf die Bank plumpsen.

Meemaw machte die Tür weit auf, und meine Freundin Olivia McButtars, das kleinste, schüchternste und klügste Mädchen der sechsten Klasse – vielleicht auf der ganzen Welt –, kam herein.

Olivia sah mich durch ihre großen Brillengläser an. Die meisten Kinder in der Schule sagen, dass ihre hellgrünen Augen unheimlich sind. Es ist, als ob sie einem direkt in die Seele schauen. Aber ich finde das gar nicht schlecht.

Sie durchquerte das Zimmer und setzte sich neben mich. Sie seufzte. »Tut mir leid wegen Tam.« Kein Small Talk für Olivia. Sie kam gleich zur Sache.

»Ich weiß einfach nicht, was ich tun oder denken soll«, sagte ich um einen dicken Knoten aus Tränen in meinem Hals herum. »Das macht mich so wütend, dass ich spucken könnte.«

Olivia berührte meinen Handrücken so leicht wie ein Schmetterling. »Ich weiß genau, was du meinst.« Und das sagte sie nicht nur, um nett zu sein. Sie wusste es wirklich.

Olivia war letztes Jahr kurz nach Weihnachten von Baltimore nach Harmony Gap gezogen. Als ihre Eltern in einem winzigen Flugzeug über dem Pazifik verschwanden, war sie zu ihrem Großvater, Alphus Singer, gekommen. Olivia hatte mir einmal erzählt, dass ihre Mutter jetzt vielleicht eine Meerjungfrau war, was sie sich immer gewünscht hätte. Das fand Olivia unheimlich tröstlich.

Wir saßen lange auf der Fensterbank und sagten kein Wort. Wir lauschten nur dem Wind in den Bäumen und dem Donner, der in den Bergen grollte. Schließlich fragte ich: »Glaubst du, dass Tam noch am Leben ist?« Olivia würde mir ehrlich antworten, das wusste ich.

Aber sie sagte lange nichts. Ihr Blick schweifte im Zimmer umher und erfasste die Fotos und Zeichnungen von Tam, alle selbst gemalten Bilder von Sachen, die Tam und ich zusammen gemacht hatten, und von Abenteuern, die ich für uns geplant hatte.

Dann drehte sie sich um und schaute mir direkt in die Augen. »Meine Mutter hat oft erklärt, dass Liebe Wunder bewirkt.«

Weiter hatte Olivia nichts dazu zu sagen. Und mehr brauchte ich auch nicht zu hören.

Nachdem sie wieder weg war, humpelte ich durchs Zimmer und holte meine alte Gitarre aus der Ecke. Sie war der ganze Stolz meines Großvaters gewesen. An Großvater Bill kann ich mich kaum erinnern. Wir waren zu Meemaw gezogen, nachdem er im Sägewerk tödlich verunglückt war. Meine Erinnerungen drehten sich vor allem um diese Gitarre. Ich trug sie zu meinem Bett und strich mit der Hand über die Saiten. Ich drückte die Gitarre an mich und spürte die Saiten an meinem Herz. Ich schloss die Augen, überlegte und sang das erste Lied, das mir einfiel.

This little light of mine, I’m gonna let it shine – Mein kleines Licht, ich lass es leuchten.

Am nächsten Tag holperten Daddy und ich auf der roten Lehmstraße entlang, die uns nach Harmony Gap brachte. Daddy summte vor sich hin.

»Daddy«, sagte ich, »wir sind jetzt seit Tagen zu Hause. Wann fahren wir endlich wieder nach Virginia und suchen Tam?«

Daddy hörte auf zu summen und rieb seinen Nacken wie immer, wenn er auf irgendetwas keine Antwort weiß. »Ich bin nicht sicher, Maus. Bald.«

»Mama hat es versprochen.«

»Ich weiß«, sagte Daddy und runzelte die Stirn. »Aber ihr musstet unter anderem beide zum Arzt gehen. Außerdem musste sie wieder arbeiten. Du weißt, sie kann nicht einfach aufhören, wenn ihr danach ist.«

Ich dachte, mein Kopf würde wie ein Vulkan explodieren. »Sie hat es versprochen!«

Daddy sah mich böse an. »Ich weiß, was sie gesagt hat, Abby. Ich war dabei, schon vergessen? Sie hat gesagt, wir würden versuchen, zurückzufahren.«

»Ich habe nicht den Eindruck, dass hier so verdammt viel versucht wird«, murmelte ich.

»Außerdem hast du mindestens einmal am Tag die Parkwächter angerufen«, sagte Daddy, ohne mir zuzuhören. »Sie wissen, dass sie nach Tam Ausschau halten sollen.«

Daddy fuhr mit dem Pick-up auf den Parkplatz der Post. »Lass uns die Pakete an Mamas Kunden aufgeben.« Er packte einen Stapel Kartons, auf denen Whistler-Farm-Wolle stand.

Der alte Mr McGruber war der Einzige hinter dem hohen Holztresen, weshalb sich eine lange Menschenschlange gebildet hatte, die darauf wartete, bedient zu werden. Mr McGruber betrachtete es nämlich als seine heilige Pflicht, sich bei jedem Kunden nach dessen Gesundheit, der Gesundheit seiner Familie und sämtlicher Tiere zu erkundigen. Und dann berichtete er jedes Mal von seiner eigenen.

Ich seufzte und verlagerte mein Gewicht auf den Krücken. Daddy lächelte mich an und zwinkerte.

»Hey, Abby.« Eine Hand berührte meine Schulter. Mr Morgans freundlicher Blick erfasste meinen angeschlagenen Kopf, die Krücken und den Gipsverband.

»Hallo, Mr Morgan«, sagte ich. Tam und ich hatten unser erstes Agility-Training von ihm bekommen.

»Hat mir wirklich leidgetan, von deinem Unfall zu hören«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Und von Tam. Er war ein ganz besonderer Hund.«

Ich richtete mich so gerade auf, wie ich konnte und schaute ihm ins Gesicht. »Wir fahren morgen oder übermorgen wieder hoch, um ihn zu holen.«

Seine buschigen schwarzen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Hat ihn jemand gefunden?«

Daddy schüttelte den Kopf.

»Noch nicht ganz«, sagte ich. »Aber er ist dort oben und wartet auf mich. Ich spür’s.«

Mr Morgan und Daddy wechselten Blicke.

»Ich hoffe, dass du recht hast, Abby«, sagte Mr Morgan und klopfte mir leicht auf die Schulter.

Beim Abendessen fragte ich: »Mama, fahren wir am Wochenende rauf nach Virginia und suchen Tam?«

Alle hörten auf zu kauen. Daddy und Meemaw sahen Mama an.

Mama legte die Gabel hin und wischte sich mit der Serviette über die Lippen. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, darüber nachzudenken.«

»Du hast es versprochen, weißt du noch?«, sagte ich und guckte Daddy nicht an.

Mama nickte. »Ja, ich habe gesagt, wir werden versuchen, da raufzufahren. Was meinst du, Ian?«

Daddy runzelte die Stirn. »Es ist eine lange Strecke bis Virginia. Selbst, wenn wir ein verlängertes Wochenende daraus machen, sind wir fast nur unterwegs.«

»So weit ist es doch gar nicht«, sagte ich. »Wir können im Nu dort sein.«

Mama und Daddy starrten mich an, als ob ich plötzlich zwei Köpfe hätte. »Abby, Schatz, es sind mehr als sechshundert Kilometer von hier bis zu der Stelle, wo ihr den Unfall hattet«, sagte Daddy.

Ich hätte fast meine Erbsen über den Tisch gespuckt. »Sechshundert Kilometer? Das kann nicht stimmen! Wir waren doch so schnell zu Hause und …«

»Du hast auf der Heimfahrt fast die ganze Zeit geschlafen«, erklärte Mama.

Ich sah Meemaw an. Sie nickte.

»Wir haben die Parkwächter fast jeden Tag angerufen«, sagte Mama.

»Das ist nicht das Gleiche«, sagte ich patzig.

»Abby«, warnte mich Daddy.

»Abby hat recht. Es ist nicht das Gleiche«, sagte Mama.

Ich fiel vor Überraschung fast vom Stuhl.

»Ich habe gesagt, wir würden es versuchen. Ich halte immer mein Versprechen.«

Daddy seufzte. »Na schön. Es kann wahrscheinlich nicht schaden, mal kurz da raufzufahren. Am Freitag ziehen wir los und kommen am Sonntag zurück.«

»Können wir nicht am Montag zurückfahren?«, fragte ich.

»Nein, Abby, du bist schon eine Woche lang nicht in die Schule gegangen. Du kannst dir nicht leisten, noch mehr zu versäumen.«

Es fiel mir unheimlich schwer, nicht darauf hinzuweisen, dass sie mich erst seit zwei Jahren nicht mehr selbst zu Hause unterrichteten. Aber Meemaw erinnert mich ständig daran, dass man mit Honig mehr Fliegen fängt als mit Essig. Also lächelte ich so süß wie Kokoscremetorte und sagte: »Danke, Mama. Ich weiß einfach, dass wir ihn diesmal finden.«

Das war am Mittwoch gewesen.

Am Donnerstag hatte Daddys Wagen in Asheville eine Panne.

»Tut mir leid, Maus«, sagte Daddy, als ihn endlich jemand abends nach Hause fuhr. »Ich weiß, dass dein Herz daran hängt, morgen nach Virginia zu fahren, aber es geht einfach nicht.«

»Wir müssen, Daddy! Können wir uns denn kein Auto leihen?«

Daddy fuhr sich mit einer verschmierten Hand über das müde Gesicht. »Ich muss unseren Wagen reparieren lassen. Bis deine Mama ein neues Auto bekommt, sitzen wir fest.«

»Aber, Daddy …«

»Es reicht«, sagte er. »Ich bin genauso frustriert wie du. Die Band hat nächste Woche ein paar Auftritte. Ich muss dafür sorgen, dass der Bus wieder fährt.« Er seufzte lang und tief. »Weiß Gott, wo ich das Geld für die Reparatur hernehme.«

Er klopfte mit der Hand...

Erscheint lt. Verlag 27.6.2013
Mitarbeit Designer: Hjalmar Boulouednine
Übersetzer Gerda Bean
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Original-Titel A Dog's Way Home
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Freundschaft • Haustier • Hund • Katze • Rettung • Tier • Tierliebe
ISBN-10 3-522-61013-X / 352261013X
ISBN-13 978-3-522-61013-1 / 9783522610131
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