Anorexia nervosa (eBook)

Fachbuch-Bestseller
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2024 | 1. Auflage
170 Seiten
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8444-2633-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Anorexia nervosa -  Tanja Legenbauer,  Iris Schmieg,  Katharina Bühren
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Anorexia nervosa ist eine Erkrankung des Kindes- und Jugendalters sowie des jungen Erwachsenenalters. Die Erkrankung ist durch Einschränkungen der Nahrungsaufnahme und/oder eine Steigerung des Kalorienverbrauches gekennzeichnet, um ein niedriges Körpergewicht zu erreichen. Die Betroffenen leiden unter starken Ängsten bezüglich ihres Gewichts und ihrer Figur und einer verzerrten Wahrnehmung ihres Körpers. Die Anorexia nervosa weist bei Chronifizierung eine hohe Mortalitätsrate auf, hat aber vor allem im Jugendalter bei frühzeitiger Therapie eine gute Prognose. Der Leitfaden liefert einen praxisorientierten und evidenzbasierten Überblick über die Diagnostik und Therapie der Anorexia nervosa im Kindes- und Jugendalter. Zunächst wird der aktuelle Forschungsstand zu Symptomatik, Klassifikation, Differenzialdiagnosen, komorbiden Störungen, Ätiologie und epidemiologischen Erkenntnissen zusammengefasst. Ausführlich werden dann Leitlinien zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Behandlung der Störung beschrieben. Neben den Standardinterventionen in der Essstörungsbehandlung zur Wiederherstellung des Gewichts und zum Ernährungsmanagement werden Empfehlungen für psychotherapeutische Strategien mit assoziierten bzw. zugrunde liegenden Problembereichen gegeben. Weiterhin wird auf den Einbezug der Eltern und anderer Bezugspersonen in die Behandlung eingegangen. Die Umsetzung der Leitlinien in den klinischen Alltag wird anhand von Fallbeispielen, Beispieldialogen und konkreten Anleitungen veranschaulicht. Zudem werden für den Praxisalltag hilfreiche diagnostische und therapeutische Materialien zur Verfügung gestellt.

|23|2  Leitlinien


2.1  Leitlinien zu Diagnostik und Verlaufskontrolle


Zur diagnostischen Erfassung der Essstörung sowie deren Veränderung im Verlauf gehört eine umfassende, multimethodale Diagnostik. Für das klinische Urteil ist es dabei wichtig, unterschiedliche Informationsquellen zu nutzen. Neben der Befragung der Betroffenen selbst sollten auch enge Bezugspersonen, ggf. Lehrer, professionelle Helfer oder andere relevante Personen aus dem nahen Umfeld in die Exploration mit einbezogen werden, um Auskunft über die Entwicklung der Symptomatik, zu deren aktuellen Stand und der Funktionsbeeinträchtigung zu geben. Zudem ist eine multimodale Diagnostik sinnvoll, d. h., es sollten unterschiedliche Ebenen des Handelns und Erlebens überprüft werden wie bspw. kognitiv-emotionale oder auch behaviorale und physiologische Facetten der Essstörung. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist eine objektive testpsychologische Diagnostik; bei letzterer sollten essstörungsspezifische Testverfahren eingesetzt werden, welche die Kernsymptomatik sowie assoziierte Problembereiche erfassen. Essstörungsspezifische Instrumente liegen sowohl in Interview- als auch in Selbstberichtsform vor. Darüber hinaus sollten Ressourcen des Familiensystems und der Patientin selbst eingeschätzt werden. Neben der essstörungsspezifischen Symptomatik ist die Erfassung komorbider psychiatrischer Erkrankungen sowie möglicher körperlicher Folgen der Essstörung wichtig. Zur Therapieplanung und individualisierten weiteren Diagnostik kann eine Zielerreichungsskala eingesetzt werden. Abschließend sollte eine behandlungsbezogene Diagnostik in Form einer Indikationsstellung erfolgen und Verlaufskontrollen zur Beobachtung bzw. Erfassung der Veränderung eingeplant werden (Lehmkuhl & Holtmann, 2015). In Tabelle 3 findet sich eine Aufstellung der empfohlenen Schritte im diagnostischen Prozess. Für detailliertere Informationen zur Diagnostik und Verlaufskontrolle kann auf den Leitfaden-Band Diagnostik psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter (Döpfner et al., 2024) sowie auf das Kapitel 4 („Diagnostik psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen“) des Lehrbuchs Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen (Steinhausen, 2019) zurückgegriffen werden.

L1

Exploration der Patientin und ihrer Bezugspersonen

L2

Standardisierte Fragebögen und testpsychologische Untersuchungen

L3

Somatisch-neurologische Diagnostik

L4

Diagnosestellung

L5

Störungsmodell

L6

Verlaufskontrolle

|24|2.1.1  Exploration der Patientin und ihrer Bezugspersonen

Die Leitlinie L1 zur Exploration der Patientin und deren Bezugspersonen enthält unterschiedliche Abschnitte, welche im Folgenden als Sektionen bezeichnet werden. Dabei werden zunächst unterschiedliche Rahmenbedingungen thematisiert (Sektion 1), die Exploration essstörungsspezifischer Psychopathologie (Sektion 2) sowie komorbider Symptomatik (Sektion 3) vorgestellt und auf die Überprüfung der Veränderungsmotivation eingegangen (Sektion 4). Anschließend wird die Exploration von Eltern und anderen engen Bezugspersonen näher erläutert (Sektion 5) und abschließend die Erfassung der Entwicklungsgeschichte und Familienanamnese dargestellt (Sektion 6).

Leitlinie 1: Exploration der Patientin und ihrer Bezugspersonen  

L1

Sektion 1: Rahmenbedingungen

  • Gestaltung des Gesprächssettings mit der Patientin und den Sorgeberechtigten Bezugspersonen

  • Einholung des schriftlichen Einverständnisses der Sorgeberechtigen

  • Ggf. Einholung von Schweigepflichtsentbindungen gegenüber Vorbehandlern etc.

Sektion 2: Exploration der essstörungsspezifischen Psychopathologie

  • Erfassen des Auftretens der Kernsymptome der Essstörungen; dazu gehört die Erfassung des Gewichts, körperlicher und psychischer Symptome, Exploration des Ess- und Bewegungsverhaltens sowie der Einstellung zum Körper

  • Einordnung des psychosozialen Funktionsniveaus im Bereich Schule, Freundschaften, Freizeit und Familie

  • Erstellung des psychopathologischen Befundes

Sektion 3: Exploration komorbider Symptomatik

  • Erfassung typischer komorbider Erkrankungen und Klärung differenzialdiagnostischer Fragen im Bereich depressiver Symptomatik, Ängste und Zwänge

  • Prüfung von Suizidalität und nichtsuizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV)

Sektion 4: Prüfung der Veränderungsmotivation

  • Einordnung der Veränderungsmotivation

  • Erfassung der Ziele der Patientin

Sektion 5: Exploration der Eltern und Bezugspersonen

  • Erfragen des Vorstellungsanlasses und vorhandener Sorgen und Nöte

  • Abfragen vorheriger Behandlungsversuche

  • Erfassung der Einschätzung der Eltern hinsichtlich der typischen essstörungsspezifischen Symptome wie Ess- und Bewegungsverhalten, körperbezogene Einstellungen und gegenregulierende Maßnahmen

  • Erfragen möglicher zusätzlicher Problembereiche im Sinne depressiver, ängstlicher oder zwanghafter Symptomatik

  • Angaben zu körperlichen Folgen der Essstörung

|25|Sektion 6: Erhebung der Entwicklungsgeschichte und Familienanamnese

  • Erfassen des prä,- peri- und postnatalen Entwicklungsverlaufs sowie Auffälligkeiten im Bereich Kindergarten und Schule, motorische und sprachliche Entwicklung sowie prämorbides Funktionsniveau der Patientin

  • Erfragen der...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2024
Reihe/Serie Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Anorexia nervosa • Diätverhalten • Einbezug der Eltern • Ernährungsmanagement • Ernährungstherapie • Essstörung • Essverhalten • Gewichtsabnahme • Gewichtswiederherstellung • Kindes- und Jugendalter • Kognitive Techniken • Körperbild • Körperschemastörung • Körperübungen • Körperzufriedenheit • Mortalitätsrate • Pharmakotherapie • Psychiatrie • Psychoedukation • Psychotherapie • Sporttherapie • Veränderungsmotivation • Verzerrte Körperwahrnehmung
ISBN-10 3-8444-2633-7 / 3844426337
ISBN-13 978-3-8444-2633-5 / 9783844426335
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