Philosophische Schriften (eBook)

(Autor)

Norbert Paulo (Herausgeber)

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2023 | 1. Auflage
310 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-77665-0 (ISBN)

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Philosophische Schriften - Adam Smith
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Der schottische Philosoph und Aufklärer Adam Smith (1723-1790) ist vor allem als Autor von The Wealth of Nations und damit als Wegbereiter der Ökonomie bekannt. Als Philosoph steht er dagegen bis heute im Schatten seines Freundes David Hume. Anlässlich seines 300. Geburtstags rückt der Band Smiths philosophisches Denken in den Mittelpunkt. Er enthält neben seinen bekannten ökonomischen Texten Auszüge der zentralen philosophischen Schriften zu Moral, Politik, Recht und Ästhetik - einige davon erstmals in deutscher Übersetzung - und erlaubt so, ihn als Philosoph neu zu entdecken. Smiths ökonomische Theorie erweist sich so als Teil seines philosophischen Denkens.

Adam Smith wurde am 16. Juni 1723 in der kleinen schottischen Hafenstadt Kirkcaldy in der Nähe von Edinburgh geboren. Er war schottischer Moralphilosoph und Aufklärer, der als Vordenker und Begründer der freien Marktwirtschaft und Nationalökonomie gilt. Nach Schule und Universität wurde er erst Lehrer, anschließend Professor für Moralphilosophie, und später höchster Zollbeamter von Edinburgh. Sein Hauptwerk »Wohlstand der Nationen« war sein erfolgreichstes wissenschaftliches Werk, womit er entscheidend die ökonomische Entwicklung prägte. Smith starb am 16. Juli 1790 im Alter von 68 Jahren in Edinburgh.

32Theorie der moralischen Gefühle


Vorwort des Verfassers


[3] Seit der ersten Veröffentlichung der Theorie der moralischen Gefühle, die bis in den Anfang des Jahres 1759 zurückliegt, sind mir mehrere Verbesserungen und eine große Zahl von Erläuterungen zu den Lehren, die in diesem Buch enthalten sind, eingefallen. Aber die mancherlei Beschäftigungen, welche das Leben mit all seinen Zufällen mir aufgezwungen hat, haben bis jetzt verhindert, dieses Werk mit jener Sorgfalt und Aufmerksamkeit wieder durchzusehen, wie ich es immer beabsichtigt hatte. […]

Im letzten Absatz des vorliegenden Werks habe ich in der ersten Auflage gesagt, dass ich in einer anderen Abhandlung versuchen werde, eine Darstellung der allgemeinen Prinzipien des Rechts und der Regierung zu geben sowie der verschiedenen Umwälzungen, welche diese in den verschiedenen Zeitaltern und Entwicklungsabschnitten der Gesellschaft durchgemacht haben, nicht nur soweit es sich um die Rechtspflege handelt, sondern auch was die Verwaltung, die Staatseinkünfte, das Militärwesen und alle anderen Gegenstände der Gesetzgebung anbelangt. In der Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker habe ich dieses Versprechen zum Teil eingelöst, wenigstens insofern es sich um Verwaltung, Staatseinkünfte und Militärwesen handelt. Das auszuführen, was noch übrigbleibt – nämlich eine Theorie des Rechts, welche ich lange Zeit geplant habe –, daran bin ich bisher durch ebendie Beschäftigungen verhindert worden, die mich auch davon abgehalten haben, das vorliegende Werk einer Revision zu unterziehen. Mein bereits sehr vorgerücktes Alter lässt mir, wie ich wohl weiß, zwar sehr wenig Hoffnung, dass ich noch jemals imstande sein werde, dieses große Werk so, wie ich es wünschen würde, auszuführen; da ich aber die Absicht dazu doch noch nicht ganz aufgegeben habe und da ich immer noch den Wunsch hege, auch ferner zu tun, was ich vermag, um die übernommene Verpflichtung zu erfüllen, so habe ich den Absatz so stehen lassen, wie er vor mehr als dreißig Jahren veröffentlicht wurde, als ich noch keinen Zweifel daran hegen konnte, dass ich imstande sein werde, alles auszuführen, was er verspricht.

33Erster Teil: Über die Angemessenheit von Handlungen


Erster Abschnitt: Über das Gefühl für das Angemessene


Erstes Kapitel: Über Sympathie

[9] Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein. Ein Prinzip dieser Art ist das Erbarmen oder das Mitleid, das Gefühl, das wir für das Elend anderer empfinden, sobald wir dieses entweder selbst sehen oder sobald es uns so lebhaft geschildert wird, dass wir es nachfühlen können. Dass wir oft darum Kummer empfinden, weil andere Menschen von Kummer erfüllt sind, ist eine Tatsache, die zu augenfällig ist, als dass es irgendwelcher Beispiele bedürfte, um sie zu beweisen; denn diese Empfindung ist wie alle anderen ursprünglichen Affekte der menschlichen Natur keineswegs auf die Tugendhaften und human Empfindenden beschränkt, obgleich diese sie vielleicht mit der höchsten Feinfühligkeit erleben mögen, sondern selbst der ärgste Grobian, der verhärtetste Verächter gesellschaftlicher Regeln ist nicht vollständig dieses Gefühls bar.

Da wir keine unmittelbare Erfahrung von den Gefühlen anderer Menschen besitzen, können wir uns nur so ein Bild von der Art und Weise machen, wie eine bestimmte Situation auf sie einwirken mag, dass wir versuchen uns vorzustellen, was wir selbst in der gleichen Lage fühlen würden. Mag auch unser eigener Bruder auf der Folterbank liegen – solange wir selbst uns wohl befinden, werden uns unsere Sinne niemals sagen, was er leidet. Sie konnten und können uns nie über die Schranken unserer eigenen Person hinaustragen und nur in der Phantasie können wir uns einen Begriff von der Art seiner Empfindungen machen. Auch dieses Vermögen kann uns auf keine andere Weise davon Kunde verschaffen, als indem es uns zum Bewusstsein bringt, welche Empfindungen wir hätten, 34würden wir uns in seiner Lage befinden. Es sind nur die Eindrücke unserer eigenen Sinne, nicht die der seinigen, welche unsere Phantasie nachbildet. Vermöge der Vorstellungskraft versetzen wir uns in seine Lage, mit ihrer Hilfe stellen wir uns vor, dass wir selbst die gleichen Qualen erlitten wie er, in unserer Phantasie treten wir gleichsam in seinen Körper ein und werden gewissermaßen eine Person mit ihm; von diesem Standpunkt aus bilden wir uns eine Vorstellung von seinen Empfindungen und erleben sogar selbst gewisse Gefühle, die zwar dem Grade nach schwächer, der Art nach aber den seinigen nicht ganz unähnlich sind. Wenn wir so seine Qualen gleichsam in uns aufnehmen, wenn wir sie ganz und gar zu unseren eigenen machen, dann werden sie schließlich anfangen auf unser eigenes Gemüt einzuwirken, und wir werden zittern und erschauern bei dem Gedanken an das, was er jetzt fühlen mag. Denn wie es uns maßlosen Kummer verursacht, wenn wir selbst uns in Schmerzen oder Nöten irgendwelcher Art befinden, so wird die gleiche Gemütsbewegung in uns auch erweckt, wenn wir uns bloß in der Phantasie vorstellen, dass wir in dieser Lage seien – und zwar in höherem oder geringerem Maße, je nachdem ob diese Vorstellung lebhafter oder schwächer von uns Besitz ergreift.

[10] Dass dies die Quelle des Mitgefühls ist, welches wir gegenüber dem Elend anderer empfinden, dass wir erst dann, wenn wir mit dem Leidenden in der Phantasie den Platz tauschen, dazu gelangen, seine Gefühle nachzuempfinden und durch sie innerlich berührt zu werden, das kann durch viele offenkundige Beobachtungen dargelegt werden, falls man es nicht schon hinreichend einleuchtend findet. Wenn wir beobachten, wie in diesem Augenblick jemand gegen das Bein oder den Arm eines anderen zum Schlag ausholt und dieser Schlag eben auf den anderen niedergehen soll, dann zucken wir unwillkürlich zusammen und ziehen unser eigenes Bein oder unseren eigenen Arm zurück; und wenn der Schlag den anderen trifft, dann fühlen wir ihn in gewissem Maße selbst und er schmerzt uns ebenso wie den Betroffenen. Wenn der Pöbel einen Seiltänzer angafft, der sich auf einem nur schlaff gespannten Seil bewegt, dann dreht und wendet sich jeder Einzelne von ihnen unwillkürlich und balanciert seinen eigenen Körper so, wie er es den Seiltänzer tun sieht und wie er es seinem Gefühle nach selbst tun müsste, wenn er in der Lage des Letzteren wäre. Diejenigen, die empfindliche Nerven und eine schwache Körperbeschaffenheit 35besitzen, beklagen sich oft darüber, dass sie bei dem Anblick der Wunden und Geschwüre, welche von den Bettlern auf der Straße zur Schau gestellt werden, selbst ein Jucken oder ein Unbehagen an den entsprechenden Teilen ihres eigenen Körpers zu spüren pflegen. Das Grauen, das sie angesichts des Elends dieser Unglücklichen empfinden, wirkt gerade auf diese Teile ihres Körpers stärker als auf andere, weil jenes Grauen eben daraus entsteht, dass sie sich vorstellen, was sie selbst wohl leiden würden, wenn sie selbst die Unglücklichen wären, die sie vor sich sehen, und wenn gerade dieser Körperteil bei ihnen mit dieser erbarmenswürdigen Krankheit behaftet wäre. Die Kraft dieser Vorstellung ist allein ausreichend, um in ihrem schwächlichen Körperbau jenes Jucken und Unbehagen zu erzeugen, über welches sie klagen. Aber auch Menschen von kräftigster...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft
Schlagworte aktuelles Buch • Ästhetik • bücher neuerscheinungen • Klassiker • Liberalismus • Moral • Moralphilosophie • Neuerscheinungen • neues Buch • Ökonomie • Pflichtgefühl • Philosophie • Politische Ökonomie • Recht • Schicklichkeit • STW 2400 • STW2400 • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2400 • Urteilsvermögen • Volkswirtschaft
ISBN-10 3-518-77665-7 / 3518776657
ISBN-13 978-3-518-77665-0 / 9783518776650
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