Schweigen war gestern (eBook)

Maria 2.0 - Der Aufstand der Frauen in der katholischen Kirche

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
160 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-187-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schweigen war gestern -  Lisa Kötter
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Ein kraftvolles Buch von Lisa Kötter, einer der Gründerinnen der Reformbewegung Maria 2.0, die für den Aufstand der Frauen in der katholischen Kirche steht. Für alle, die sich nach neuen Formen des Glaubens sehnen. Mit einem Vorwort von Carolin Kebekus. »Ich bin Christin. Am Tag meiner Geburt getauft von einem Priester der römisch-katholischen Kirche. Seit 60 Jahren lebe ich in ihrem Schoß. Es wird eng. Unerträglich eng. Der Druck steigt. Und ich begreife: Wir müssen jetzt handeln!« Lisa Kötter, Maria 2.0 Die Autorin dieses Buches, Lisa Kötter, ist eine der Vordenkerinnen der Bewegung Maria 2.0. Aus Protest gegen die verkrusteten, männerdominierten Strukturen und die Missbrauchsskandale bleiben die katholischen Frauen von Maria 2.0 vor den Türen der Kirchen und feiern dort draußen, jenseits der klerikalen Vorgaben, miteinander ihren Glauben. Lisa Kötter spricht Klartext, lässt sich von Kirchenoberen nicht einschüchtern. Und sie entwickelt ein faszinierendes Bild, wie Kirche so umgestaltet werden kann, dass eine neue Lebendigkeit entsteht. Eine Lebendigkeit, die die Bedürfnisse der Menschen des 21. Jahrhunderts sieht. Dabei geht es nicht nur darum, ob auch Frauen Priesterin werden und Gemeinden leiten können. Das ist für Lisa Kötter eigentlich selbstverständlich. Sie stellt viel grundsätzlichere Fragen, zum Beispiel, ob es überhaupt Priesterinnen und Priester braucht, den Zölibat und traditionelle Machtstrukturen. »Auf einmal war plötzlich ganz klar, dass wir uns nicht mehr einrichten können in einer Kirche, die Menschen nicht schützt und achtet, sondern immer nur sich selbst. Im Haus voll Glorie stapeln sich die Leichenberge im Keller. Wir können nicht darüber hinwegsehen, dass so vieles zum Himmel stinkt. Wir haben eine Verantwortung. Es wird Zeit, die Glorie sein zu lassen und bei den Menschen anzukommen. Ihr Leid ernst zu nehmen und ihre Freuden. Ihre Trauer zu verstehen und ihre Lust zu achten. Bedürfnisse zu respektieren und die Freiheit hochzuhalten. Argumentiert wurde genug - seit Jahrzehnten. Es ist an der Zeit, weiterzugehen. Für uns Frauen in der katholischen Kirche ist ein stillschweigender Austritt keine Option. Wir wollen für uns und für unsere heranwachsenden Kinder und Enkelkinder kämpfen. Für einen Weg, der es uns und auch den nachfolgenden Generationen nicht nur erträglich macht, sondern sogar Freude, in dieser Kirche zu bleiben! Weil es wieder um die Botschaft Jesu geht. Und wir darum wieder Heimat finden können in unserer Kirche.« Lisa Kötter, Gründerin der Bewegung Maria 2.0

Lisa Kötter, Jahrgang 1960, Kunststudium und Ausbildung in Freiburg, Kassel und Göttingen. Im Jahr 2019 hat sie dort die Bewegung Maria 2.0 mitgegründet. 2021 hat sie mit Maria Mesrian die Idee Zum Verein UMSTEUERN ROBINSISTERHOOD entwickelt. Sie lebt als freischaffende Künstlerin mit ihrem Ehemann in Münster, hat vier erwachsene Kinder und vier Enkeltöchter.

Lisa Kötter, Jahrgang 1960, Kunststudium und Ausbildung in Freiburg, Kassel und Göttingen. Im Jahr 2019 hat sie dort die Bewegung Maria 2.0 mitgegründet. 2021 hat sie mit Maria Mesrian die Idee Zum Verein UMSTEUERN ROBINSISTERHOOD entwickelt. Sie lebt als freischaffende Künstlerin mit ihrem Ehemann in Münster, hat vier erwachsene Kinder und vier Enkeltöchter.

Prolog


Es ist an der Zeit, weiterzugehen und die Stimme zu erheben. Schweigen war gestern.

 

 

 

Im Januar 2019 saßen wir, etwa ein halbes Dutzend Frauen, zusammen. Wir trafen uns monatlich und lasen Abschnitt für Abschnitt das Evangelii Gaudium, das apostolische Schreiben von Papst Franziskus. Denn wir wollten verstehen, wie Papst Franziskus »tickt«. Um Positionen abzuwägen, zu diskutieren und selbst zu finden.

An diesem Abend haben wir nicht gelesen. Ich berichtete von einem Film, den ich gesehen hatte. Das Schweigen der Hirten, eine ZDF-Dokumentation über die sogenannte geografische Lösung. So wird in dem Film das weltweite Netz innerhalb der katholischen Kirche genannt, in dem klerikale Sexualstraftäter von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent versetzt wurden, um sie einer staatsanwaltlichen Verfolgung zu entziehen. Der Film macht deutlich, dass es nicht um Einzeltaten weniger geht, sondern um ein System der Vertuschung. Einer weltweiten Vernetzung der Täter und der Mitwisser. Ein System, das den Verbrechen sogar Vorschub leistet, weil eine Bestrafung umgangen wird. Und noch eines zeigt dieser Film: Es kann keinen hohen Kleriker geben, der davon nichts wusste und weiß.

 

Fassungslosigkeit, das ist der passende Ausdruck dafür, was wir empfanden gegenüber dieser Fülle von Leid, Gewalt, Unrecht und Ungerechtigkeit, Verletzung von Würde, Zwang und Scheinheiligkeit. Und das in der Kirche, die sich die Kirche Jesu Christi nennt.

Eine große Traurigkeit brach sich Bahn, eine Traurigkeit, die uns im Geheimen schon Jahre und Jahrzehnte begleitete. Die viele von uns aber nicht nach außen dringen ließen. Denn: Es tut nicht gut, im Schmutz zu wühlen.

Aber es ist der Schmutz einer Kirche, in der wir uns engagierten, zu der wir uns immer zugehörig fühlten, seit dem Tag unserer Taufe.

Ist ein neuer Anfang, den Jesus verspricht, in und mit dieser Kirche möglich? Oder ist sie gebaut auf römischer Machtgier und Unterdrückungskultur, letztlich nicht auf einem Felsen der Liebe, sondern auf einem Felsen des Verrats?

 

Wie unangemessen empfanden wir das Wort »Missbrauchsskandal«, und wie hohl und empathielos klangen bischöfliche Beteuerungen der »Erschütterung«.

Nein. Erschütternd sind all die Beteuerungen der Erschütterung aus dem Mund kirchlicher Verantwortungsträger. Denn was sie in Wahrheit erschüttert, ist die nachhaltige Befleckung ihrer heiligen römischen Kirche.

 

Seit ich denken kann, werden Witze gerissen und unheimliche Geschichten erzählt, nicht nur unter Messdiener*innen, über Beichtstuhl-Gefummel, verklemmte klerikale Keuschheitsverhöre, getuschelte Ungeheuerlichkeiten, versetzte Kapläne. Es ist nicht glaubwürdig, dass die geweihten Herren seit Jahrzehnten nicht gewusst haben sollen, was jeder geschmacklose Witz unter Messdienerinnen und Messdienern in die Welt posaunte. Mag sein, dass das Ausmaß nicht jedem Kirchenmann bekannt war. Aber das Raunen der Ungeheuerlichkeiten wurde im Haus der Glorie immer schon lieber geflissentlich überhört und übertönt mit heiligen Worten und Orgelspiel.

In Nachtsonne, einem Film der Brüder Taviani von 1990, ringt ein Priester mit seiner vermeintlichen Heiligkeit. Und je mehr ihn das bedrängt, was ihm eigentlich untersagt ist, desto hochtrabender werden seine Worte. Ein Bauer bringt es auf den Punkt: »Du kannst so schön reden! Du kannst machen, dass Taubenscheiße duftet.«

Wer hat die verdrehten, zerbrochenen, geschändeten Lebensgeschichten der Betroffenen im Blick? Wer sprach und spricht über die verheerenden Ausmaße der Folgen der sexuellen Gewalt auf das Leben der Menschen, denen Gewalt angetan wurde und wird?

»Eine Katastrophe für die Kirche«, »Skandal!«, so hörte man allerorten. Nein! Die Katastrophe passiert seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten wahrscheinlich, und zwar den von Gewalt Betroffenen. Die Katastrophe passiert nicht der Kirche. Diese Kirche gebiert die Katastrophe!

 

Auch wir wussten oder ahnten doch schon immer, wie dünn die Kruste der christlichen Wohlanständigkeit war. Jede von uns kannte doch seit Jahrzehnten die üblen Messdienerwitze, jede kannte selbst oder über ein, zwei Ecken Betroffene, jede wusste um das Getuschel hinter vorgehaltener Hand.

Ja, da war auch Scham an diesem Abend im Januar. Scham, dass wir nicht längst schon aufgestanden waren, nicht längst schon unsere Nasen in Angelegenheiten gesteckt hatten, die uns sehr wohl und immer schon etwas angingen.

Plötzlich war ganz klar, dass wir uns nicht mehr einrichten können in einer Kirche, die nicht Menschen schützt und achtet, sondern nur sich selbst. Im Haus voll Glorie stapeln sich die Leichenberge im Keller. Es wird Zeit, die Glorie sein zu lassen und bei den Menschen anzukommen. Ihr Leid ernst zu nehmen und ihre Freuden. Ihre Trauer zu verstehen und ihre Lust zu achten. Bedürfnisse zu respektieren und die Freiheit hochzuhalten.

Wir – jede*r einzelne Christ*in – haben eine Verantwortung. Wir können es nicht einfach gut haben in unseren gemütlichen Gemeinden und darüber hinwegsehen, dass so vieles zum Himmel stinkt.

Wegsehen und Schweigen sind systemerhaltend. Unsere Kinder fragen uns: Warum seid ihr noch in dieser Kirche? Was hält euch dort? Stützt ihr nicht durch euer Bleiben diese Struktur, die Böses hervorbringt?

Wir haben eine Verantwortung. Und wir sollten Antwort geben. Jede und jeder. Uns selbst, unseren Töchtern und Söhnen und Enkelkindern. Unseren Mitmenschen und Mitgeschöpfen. Unserem Bruder Jesus. Wir sollten Gott* antworten auf seine Liebe.

 

An diesem Abend haben wir zusammen geweint, auch gewütet und getobt.

Am Ende fassten wir den Beschluss, zu tun, was Generationen von Frauen schon lange vorschlugen: draußen zu bleiben. So entstand die Initiative Maria 2.0.

Wir haben uns vor die Kirchen gestellt, sind draußen geblieben. Da ist der Platz, den uns die Kirche durch ihr Handeln und ihr Versagen, aber vor allem durch ihre Ignoranz zugewiesen hat. Sie hat uns ausgeschlossen vom heiligen Spiel.

Also spielen wir draußen, mitten im heiligen Leben. Getauft, berufen, singend, segnend. Wir fragen nicht mehr um Erlaubnis und warten nicht mehr auf Beifall der »Geweihten«.

 

Der Zulauf zu unseren Gottesdiensten in der ersten Aktionswoche im Mai 2019 war überwältigend. In unserer Gemeinde in Münster und an vielen anderen Orten hätten sich die Priester uns gerne angeschlossen. Wir haben aber darum gebeten, dass alle Gottesdienste und Messen in den Kirchen wie gewohnt gefeiert werden – denn wir wollten niemandem seine Eucharistiefeier nehmen, der sich uns nicht anschließen wollte. Jeden Abend kamen mehr Frauen und Männer, um mit uns auf dem Kirchplatz Gottesdienst zu feiern.

Gemeinsam schmückten wir einen langen Tisch mit weißen Tüchern, Blumen und Kerzen. Ich sehe noch Marianne, eine der älteren Frauen in unserer Gemeinde, herbeieilen, in der Hand einen riesigen Strauß blühender Zweige aus dem eigenen Garten. Viele brachten körbeweise Blumen und Blüten mit. Barbara, die Älteste unter uns Initiatorinnen, segnete während des Gottesdienstes feierlich die Brote, die viele Hände zwischen die Blumen und die Kerzen auf den Tisch gelegt hatten. Dann teilten wir das Brot untereinander, jede und jeder bekam ein Stückchen. Dabei segneten wir einander und wünschten uns Frieden. Viele Frauen konnten in diesem Moment ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Gerade die Älteren unter uns waren gleichzeitig tief gerührt und überwältigt von dieser neuen Form der Gotteswort-Feier. Es war eine Gemeinschaft auf Augenhöhe, der niemand vor-steht. Wo niemand von oben herab, vom erhöhten Altar herunter etwas vermitteln muss oder etwas stellvertretend für andere tut. Wir standen als eine Gemeinschaft der Getauften zusammen, in der wir einander gesegnet haben.

Manche von uns dachten an die Jahrzehnte der Demütigungen, des Nicht-ernst-genommen-Werdens, der alten bedrückenden Erinnerungen. An schlüpfrige Kindheits-Beichtgeschichten, an »Mädchen-dürfen-das-nicht«-Verbote oder an den Ausschluss bei der Taufe des eigenen Kindes nach dessen Geburt (wegen »Unreinheit!«). An das Nicht-gehört- und Nicht-gesehen-Werden, das Nicht-widersprechen-Dürfen, an unglückliche Jahre in »Muss-Ehen«. Und es flossen viele Tränen der Trauer.

Aber vor allem gab es Freudentränen. Weil alle miteinander erlebten: Ich kann und darf segnen, ich darf mich mit anderen im Namen Jesu zu dessen Gedächtnis versammeln. Wir können auch ohne die Anwesenheit eines geweihten Priesters miteinander beten, singen, Brot brechen. Wir ermächtigen uns selbst. Wir heiligen unser Leben, indem wir in Seinem Namen handeln – und wir spüren: Er, Gott* selbst, ist mitten unter uns.

 

In dieser Zeit, rings um die erste Maria 2.0-Aktion, hatten wir viel Kontakt zu Journalisten. Zeitungen, Radiosender und das Fernsehen baten um Interviews und berichteten über unser Tun. Durchweg waren diese Begegnungen und Gespräche von großem Respekt geprägt. Oft erzählten uns die Medienleute, wenn das Mikrofon ausgeschaltet war, von ihren eigenen Geschichten mit Kirche, von ihrem Glauben oder Unglauben, ihrem Befremden oder ihrem Gottvertrauen. Ohnehin ist, so sagten viele Menschen verwundert, gefühlt seit Jahrzehnten nicht mehr so viel und miteinander und öffentlich über Glauben gesprochen worden wie in diesen Wochen im Mai 2019.

Auch bei unserem großen zentralen Gottesdienst auf dem Domplatz von Münster waren viele Medienvertreter anwesend. Die Stimmung war aufgewühlt, und die Fragen, die man uns als Vorbereiterinnen stellte, zeigten,...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Aufbruch in der Kirche • Carolin Kebekus • Christliche Bücher • christliche Bücher für Frauen • Christliches Leben • Christliche Spiritualität • christliche Spiritualität im Alltag • Elisabeth Kötter • Feminismus • feministische bücher • Frauenbewegung • Frauen in der Kirche • Frauen in kirchlichen Ämtern • Frauen und Kirche • Katholische Kirche • katholische kirche kritik • Katholizismus • Kirchenkrise • Kirchenkritik • Kirche wohin • Kraftquellen • Kraftquelle Religion • Lisa Kötter • Maria 2.0 • Patriarchat • Priester • Priesteramt für Frauen • Priesterinnen • Reformbewegung • Religion • Religion und Gesellschaft • religiöse Praxis • Sachbuch Religion • Selbstermächtigung • Selbstführung • Zölibat
ISBN-10 3-96340-187-7 / 3963401877
ISBN-13 978-3-96340-187-9 / 9783963401879
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