Die Verhaltensanalyse (eBook)

Schritt für Schritt zum individuellen Störungsmodell. Mit Leitfaden und ätiopathogenetischer Tabelle
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
214 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12062-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Verhaltensanalyse -  Esther Bockwyt
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Wie der Einstieg in die Therapie leichter gelingt   Aktualisierte Ausgabe des Erfolgsbandes »Der verhaltenstherapeutische Bericht an den Gutachter«   - Know-How: Theoretische Grundlagen, mehrstufiger Leitfaden, ätiopathogenetische Tabelle - Übungen: In »O-Ton«-Patientenaussagen die zentralen Themen identifizieren und Schritt für Schritt eine gelungene Verhaltensanalyse erstellen Sie sind VerhaltenstherapeutIn und wissen, wie wichtig es ist, mit einer funktionalen Verhaltens- und Problemanalyse in die Therapie einzusteigen? Dieses Buch unterstützt Sie bei diesem zweifellos grundlegenden diagnostischen Verfahren. Unter welchen Bedingungen hat die Patientin oder der Patient die Symptomatik erworben und welche Faktoren halten sie aufrecht? Basierend auf der Verhaltensund Bedingungsanalyse erstellen Sie die individuellen Therapieziele und planen verhaltenstherapeutische Interventionen. Das Buch - eine starke Überarbeitung der ersten Ausgabe Der verhaltenstherapeutische Bericht an den Gutachter - stellt die Grundlagen der Verhaltensanalyse dar. Es erklärt praxisorientiert Schritt für Schritt das Vorgehen bei der Erstellung eines präzisen Störungsmodells. Anhand von besonders greifbaren Fallbeispielen wird gezeigt, wie die konkrete Umsetzung einfach und gut gelingt. Die von der Autorin übersichtlich zusammengestellte ätiopathogenetische Tabelle gibt Ihnen zahlreiche konkrete Inhalte für die Variablen der Verhaltensanalyse an die Hand und nimmt Bezug zur Schematherapie.   Dieses Buch richtet sich an: - Ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen, PsychotherapeutInnen in Ausbildung, Ausbildungsinstitute für Verhaltenstherapie, Universitäten, StudentInnen der Psychologie und Psychotherapie   Aus dem Inhalt Problem- und Verhaltensanalyse | Horizontale Analyse | Vertikale Analyse: Plan- und Schemaanalyse | Makro- und Mikroanalyse | Ätiopathogenetische Tabelle | Fallbeispiele Verhaltensanalyse mit Analyseprozess | Von Fehlern lernen: Negativbeispiele Verhaltensanalyse | Übung zum Erstellen der Verhaltensanalyse | Übung-Lösungsvorschlag | Fallbeispiele Verhaltensanalyse

Esther Bockwyt, Diplom-Psychologin, M. Sc. Rechtspsychologie, Autorin, Podcasterin, ist psychologisch diagnostisch und gutachterlich tätig. Im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie zahlreiche Verhaltensanalysen erstellt und supervidiert. Webseite der Autorin: www.die-gutachterinnen.de

Esther Bockwyt, Diplom-Psychologin, M. Sc. Rechtspsychologie, Autorin, Podcasterin, ist psychologisch diagnostisch und gutachterlich tätig. Im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie zahlreiche Verhaltensanalysen erstellt und supervidiert. Webseite der Autorin: www.die-gutachterinnen.de

2 Ätiopathogenetische Tabelle


Wir haben uns nun intensiv mit einer Möglichkeit der Vorgehensweise bei der Erstellung der Verhaltensanalyse beschäftigt. An manchen Stellen sind wir bereits auf theoretische Inhalte zu sprechen gekommen.

Wie wir immer wieder gesehen haben, kommt es darauf an, nicht nur richtige, sondern auch spezifische, individuelle Inhalte darzustellen, und zwar mit einer gewissen Genauigkeit.

Um dies tun zu können, müssen wir bei der Erstellung der Verhaltensanalyse also auch auf unser theoretisches Wissen zurückgreifen. Dies setzt die Kenntnis der verhaltenstherapeutischen Krankheitslehre bzw. deren Annahmen zur Ätiologie (Ursache, Entstehung von Krankheiten) sowie Kenntnis diesbezüglicher störungsspezifischer Konzepte voraus.

Die Frage nach der Ätiologie psychischer Krankheit generell und spezifischer Krankheitsbilder ist ein wesentlicher Inhalt der klinischen Psychologie und stellt ein Forschungsgebiet dar, auf dem immer wieder neue Erkenntnisse dazu beitragen, die Entstehung psychischer Krankheit besser zu verstehen.

Bei den meisten psychischen Störungen kann man nicht von einer einzigen Ursache ausgehen, sondern man nimmt ein Ursachenbündel an und spricht von Multikausalität bzw. multifaktorieller Entstehung. Ein einfaches Ursache-Wirkungsprinzip, wie eine Gewalteinwirkung, die zum Knochenbruch führt, ist zur Erklärung der Entstehung psychischer Krankheit nicht denkbar. Erst das Zusammenwirken mehrerer Faktoren führt zur Ausformung einer psychischen Störung. Man spricht im Bereich psychischer Krankheit daher häufig nicht von der Ursache bzw. Ätiologie einer Störung, sondern von den Bedingungen einer Störung.

Dennoch existiert bis heute keine vollständige Erklärung der einzelnen psychischen Krankheiten bzw. psychischer Krankheit generell. Ob eine solche vollständige Erklärung überhaupt möglich ist, kann zudem infrage gestellt werden, so Pospeschill (o. J.): »Eine ätiologische Erklärung psychischer Störungen kann niemals vollständig sein, weil sich sowohl aus wissenschaftlichen als auch aus pragmatischen Gründen nie alle für eine Störung relevanten Faktoren anführen lassen.«

Dennoch muss das Ziel ätiologischer Forschung in der klinischen Psychologie natürlich in einer möglichst umfassenden Beantwortung der Frage nach den Ursachen bzw. Entstehungsbedingungen der Krankheit(en) bestehen.

Psychische Krankheiten lassen sich nicht nur anhand von Symptomen bzw. Symptomenkomplexen wie in der ICD, International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (WHO 2015) und im DSM, Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (APA, American Psychiatric Association 2013), kategorisieren und systematisieren, sondern auch hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte/Ätiologie. Kraepelin (1913) unterschied z. B. bereits im 19. Jahrhundert exogene Psychosen, endogene Psychosen und Neurosen bzw. später exogene und psychogene Störungen und legte seinem Klassifikationssystem empirische Daten über Ätiologie und Pathogenese (Entwicklung, Ausgestaltung einer Krankheit) zugrunde. Eine Klassifikation unter ätiologischen Gesichtspunkten würde beinhalten, dass einzelne Krankheiten sich zu relativ einheitlichen ätiologischen Konstellationen voneinander abgrenzen lassen. Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand erlaubt dies jedoch nicht, wenngleich es wissenschaftliche Erkenntnisse zu ätiologischen Faktoren psychischer Krankheit und einzelner Störungen natürlich gibt.

Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen als Basis für Klassifikationen können auch theoretische Überlegungen herangezogen werden. Die psychoanalytische Theorie ist hier das klassische Beispiel für eine solche Krankheitslehre und Nosologie (Krankheitslehre, Lehre von der Erscheinungsform und Klassifikation einer Krankheit), wenngleich ihr aus verhaltenstherapeutischer Perspektive vor allem in der Vergangenheit eben der fehlende wissenschaftliche Bezug kritisch vorgehalten wurde. Hierbei wurde jedoch vernachlässigt, dass vor jeder empirischen Überprüfung eine gute Theorie bzw. theoretische Annahmen stehen müssen.

Ebenso eingewendet werden kann, dass eine empirische Überprüfung psychologischer Konstrukte und Annahmen, hier in Bezug auf die Ätiologie psychischer Krankheit, zwar anzustreben ist, gleichzeitig aber eine anspruchsvolle Aufgabe darstellt und mit vielfältigen Schwierigkeiten einhergeht. Eine rein hermeneutische (hermeneutisch: deutend, interpretierend) Betrachtung der Psychoanalyse wird ihr in der Tat nicht gerecht, denn sie macht als wissenschaftliche Theorie zahlreiche empirisch überprüfbare Aussagen. Methodische Mängel bzw. Limitationen einer Forschung, die ein solch komplexes »Geschehen« wie psychische Krankheit untersucht, relativieren den zwar verständlichen, aber z. T. unrealistischen und dogmatischen Anspruch der Wissenschaftlichkeit unter Vernachlässigung des Verstehens, Erklärens und Deutens (Hermeneutik), unter Vernachlässigung von Erfahrungswissen und Induktion (abstrahierender Schluss aus beobachteten Phänomenen auf eine allgemeinere Erkenntnis) als Informationsquellen und Methoden.

Eine detaillierte Kritik wissenschaftlicher Forschung in der klinischen Psychologie kann und soll an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Nicht fehlen soll jedoch der Hinweis auf eine auch kritische Betrachtung vermeintlich gesicherter empirischer Erkenntnisse mit Blick auf methodische Limitationen, wie vor allem die Übertragung von am Tier oder aber an gesunden Kontrollpersonen (meist Studenten) in experimentellen Designs gewonnenen Erkenntnissen auf den Menschen bzw. auf psychisch Kranke, also vor allem auf Limitationen im Hinblick auf die externe Validität empirischer Untersuchungen zu ätiologischen Faktoren psychischer Krankheit.

Einig hingegen dürfte sich die Mehrheit klinischer Psychologen hinsichtlich der Bilanzierung sein, dass empirisch gesichertes Wissen in Bezug auf die Ätiologie(n) psychischer Erkrankung(en) nach wie vor eher spärlich vorhanden ist. Angesichts des Fehlens eindeutig nachgewiesener kausaler ätiologischer und pathogenetischer Beziehungen spricht man daher im Bereich psychischer Beeinträchtigungen auch lieber von Störungen als von Krankheit in Abgrenzung zur traditionellen, kausal orientierten somatischen Krankheitskonzeption.

Theoretische Annahmen hingegen sind zahlreich vorhanden und weiterentwickelt worden, jedoch auch in der Verhaltenstherapie nicht vollumfänglich empirisch gesichert, weil dies naturgemäß allein in zeitlicher Hinsicht kaum realisierbar ist.

Eine umfassende ätiologische Kategorisierung von psychischen Krankheiten existiert daher bis dato nicht und stellt ein Ziel in weiter Ferne dar. Vorhanden sind die Klassifikationssysteme (ICD und DSM), die psychische Störungen beschreiben, um eine gemeinsame Sprache für die beschreibende Psychopathologie zur Verfügung zu stellen mit dem Anspruch, klinische Bilder als Phänomene, also unvoreingenommen in der Beschreibung, zu erfassen. Ein Kritikpunkt an diesen Systemen beinhaltet jedoch eine z. T. unverständliche Vermischung von Beschreibung und Ätiologie. So ist beispielsweise bei den Subtypen der Schizophrenie lange nach biologischen Markern gefahndet worden und nun zeigt sich, dass diese Suche erfolglos war und die Klassifikationsformen des DSM-5 (APA 2013) schaffen die Subtypen folgerichtig wieder ab. Ein anderes Beispiel: Eine Panikstörung soll nur dann diagnostiziert werden, wenn sich keine Ursache für das Auftreten der Angst finden lässt. Allein das Ansetzen dieses Kriteriums geht schon über eine rein deskriptive Beschreibung und Kategorisierung hinaus.

Die genannten Beispiele sollen nicht die Existenz klassifikatorischer deskriptiver Systeme kritisieren oder deren Nutzen infrage stellen, sondern die Schwierigkeit der Etablierung eines gelungenen nosologischen Systems aufzeigen. Eine Nosologie ist der Versuch der Etablierung einer eindeutigen, logischen Ordnung von Krankheiten nach einheitlichen Gesichtspunkten. Sie umfasst nicht nur eine Einheitlichkeit von Symptomen und Syndromen in der Deskription von Krankheiten, sondern auch eine Ordnung im Hinblick auf die Ätiologie, Pathogenese und Differenzialdiagnostik von psychischen Störungen.

Es besteht also weiter ein ausgeprägter Bedarf bzw. die Notwendigkeit, psychische Krankheit und deren Entstehung wie Entwicklung noch besser zu verstehen. Es bedarf nicht nur weiterer...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2020
Zusatzinfo mit Leitfaden und ätiopathogenetischer Tabelle
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Bedingungsanalyse • Begutachtung • Gutachten • Problemanalyse • Psychotherapie • Schematherapie • Störungsmodell • Verhaltenstherapie • Verhaltenstherapie Grundlagen
ISBN-10 3-608-12062-9 / 3608120629
ISBN-13 978-3-608-12062-2 / 9783608120622
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