Sonst geht es mir noch gut
edition federleicht (Verlag)
978-3-946112-45-7 (ISBN)
Ein Auszug aus der Einleitung von Johannes Chwalek: Georg Rolly hat ein kurzes Leben geführt, vom 26. Oktober 1921 bis zum 3. Februar 1944. Eine eigene Persönlichkeit konnte er ansatzweise nur ausbilden in den Jahren seines Militärdienstes, als er vom autoritären und von häufigem Streit geprägten Elternhaus räumlich entfernt lebte. Seine Feldpostbriefe im vorliegenden Band aus dem Privatarchiv der Nichte Eva Schlingmann datieren vom 10. Mai 1940 bis zum 2. Februar 1944, einen Tag vor seiner tödlichen Verwundung durch Granatsplitter am Kopf, nahe bei Witebsk, das heute zu Weißrussland gehört. Die Sozialisation im Elternhaus und im NS-Staat hinterließen Spuren, denen hier nachgegangen werden soll und die ihn als „Kind seiner Zeit“ erscheinen lassen. Als Gliederungspunkte für diese einleitenden Zeilen sollen gelten: „Alltagssorgen“, „Familiäre Probleme“, „Käthe Dietz“ (seine Freundin), „Affirmation des Krieges“ sowie „Kritische Ansätze eigenen Denkens durch die Kriegs-Erfahrung“. Von einem „roten Faden“ kann dabei nur bedingt die Rede sein, wenn man die persönliche Entwicklung Georg Rollys zu Grunde legt. Zarte Ansätze kritischen Denkens verwirft oder vergisst er wieder, wie zu sehen sein wird, um vorbehaltlos den Krieg zu bejahen und den deutschen Sieg zu wünschen. Eine „Gemengelage“ von Erfahrungen, Empfindungen und Ansichten ist zu sichten, hinter denen das Bild der Persönlichkeit Georg Rollys aufscheinen mag. Soldaten durften über ihre militärische Lage brieflich nichts verlauten lassen. Auch mussten sie sich aus persönlicher Vorsicht heraus grundsätzlicher Kritik am „Barras“ enthalten. Belegstellen hierzu finden sich in den Feldpostbriefen Georg Rollys. Andererseits hielt er es nicht für risikoreich, die Langeweile und den Stumpfsinn des Dienstes in der Etappe (Hinterland der Front) zu beschreiben, wo das Prinzip „Stur-Heil!“ vorherrsche. Insofern sind die Feldpostbriefe quellenkritisch mit ihren Informationen im Subtext zu lesen – mit gelegentlicher Verwunderung über die Offenheit der Aussagen. Im Inland konnte man in der ersten Hälfte der vierziger Jahre telefonieren, wobei man sich von einem „Fräulein“ in der Leitung vermitteln lassen musste. Von der Etappe oder Front aus blieben die Briefe für die Masse der Soldaten das einzige Verbindungsmittel zu ihren Angehörigen und besaßen einen entsprechend hohen Stellenwert. Immer wieder kommt es vor, dass Georg Rolly seine Briefpartner, seien es die Eltern, der Bruder Heinz oder seine Freundin Käthe, nachdrücklich um baldige Antworten auf seine Schreiben ersucht, nicht allein weil er praktische Dinge von ihnen erledigt haben will (insbesondere von seinen Eltern und seinem Bruder), Behördengänge, die Übersendung von Toilettenartikeln, Socken, Bücher, vor allem auch Zigaretten, sondern aus dem Wunsch nach Kontakt und Mitteilsamkeit. Dabei unterlag die Feldpost-Zustellung nicht geringen Schwierigkeiten. Immer neue Feldpostnummern mussten den potenziellen Briefschreibern genannt werden, analog zu den vielen wechselnden Standorten eines Soldaten im Krieg; nicht immer funktionierte dies reibungslos, Feldpostbriefe_Inhalt_10.11.2019.qxp_Layout 1 10.11.19 16:35 Seite 8 sodass Briefe an den Absender zurückgingen und erneut, diesmal unter der aktuellen Feldpostnummer, auf die Reise geschickt wurden. Auch wurde aus militärischen Gründen heraus oder wegen Überlastung der Zustellungsorgane der Feldpostbetrieb für Wochen oder Monate eingestellt, wie dies auch im Ersten Weltkrieg schon der Fall gewesen war. „Ja, ein Brief kann heute in diesem schnellen Zeitalter auch mal fünf Monate dauern. [...] Den Weihnachtsgrüßen hättet ihr Pfingstgrüße beifügen können“, schreibt Georg Rolly am 2. Mai 1942 unter der Ortsangabe „Im Felde“. Die Fremdbestimmung Georg Rollys als Soldat der Wehrmacht zeigt sich neben vielen anderen Punkten im „Verladenwerden“ nach hierhin oder dorthin, Westfront oder Ostfront; verbunden mit teilweise tagelanger Zugfahrt und Gewaltmärschen mit Gepäck. Den eigenen Wohnsitz selbst bestimmen zu können, dieses selbstverständliche Recht eines freien Menschen, stand ihm und seinen Kameraden nicht zu. Auch die Länge des Aufenthaltes an einem zugewiesenen Ort, sei es in der Etappe oder an einem Frontabschnitt, bestimmten allein Georg Rollys Vorgesetzte. Hatte er es einmal unglücklich getroffen (bekommen) und vertrug sich nicht mit den anderen Soldaten und/oder Vorgesetzten, bestand die einzige Möglichkeit zu entkommen in einem Versetzungsantrag – aber bis der genehmigt wurde, wenn überhaupt, verging die Zeit. ...
Ein Auszug aus der Einleitung von Johannes Chwalek:Georg Rolly hat ein kurzes Leben geführt, vom 26. Oktober 1921 bis zum 3. Februar 1944. Eine eigenePersönlichkeit konnte er ansatzweise nur ausbilden in den Jahren seines Militärdienstes, als er vomautoritären und von häufigem Streit geprägten Elternhaus räumlich entfernt lebte. Seine Feldpostbriefeim vorliegenden Band aus dem Privatarchiv der Nichte Eva Schlingmann datieren vom 10. Mai1940 bis zum 2. Februar 1944, einen Tag vor seiner tödlichen Verwundung durch Granatsplitter amKopf, nahe bei Witebsk, das heute zu Weißrussland gehört. Die Sozialisation im Elternhaus und imNS-Staat hinterließen Spuren, denen hier nachgegangen werden soll und die ihn als "Kind seiner Zeit"erscheinen lassen. Als Gliederungspunkte für diese einleitenden Zeilen sollen gelten: "Alltagssorgen","Familiäre Probleme", "Käthe Dietz" (seine Freundin), "Affirmation des Krieges" sowie "KritischeAnsätze eigenen Denkens durch die Kriegs-Erfahrung". Von einem "roten Faden" kann dabei nur bedingtdie Rede sein, wenn man die persönliche Entwicklung Georg Rollys zu Grunde legt. ZarteAnsätze kritischen Denkens verwirft oder vergisst er wieder, wie zu sehen sein wird, um vorbehaltlosden Krieg zu bejahen und den deutschen Sieg zu wünschen. Eine "Gemengelage" von Erfahrungen,Empfindungen und Ansichten ist zu sichten, hinter denen das Bild der Persönlichkeit Georg Rollysaufscheinen mag.Soldaten durften über ihre militärische Lage brieflich nichts verlauten lassen. Auch mussten sie sichaus persönlicher Vorsicht heraus grundsätzlicher Kritik am "Barras" enthalten. Belegstellen hierzufinden sich in den Feldpostbriefen Georg Rollys. Andererseits hielt er es nicht für risikoreich, dieLangeweile und den Stumpfsinn des Dienstes in der Etappe (Hinterland der Front) zu beschreiben,wo das Prinzip "Stur-Heil!" vorherrsche. Insofern sind die Feldpostbriefe quellenkritisch mit ihrenInformationen im Subtext zu lesen - mit gelegentlicher Verwunderung über die Offenheit der Aussagen.Im Inland konnte man in der ersten Hälfte der vierziger Jahre telefonieren, wobei man sich von einem"Fräulein" in der Leitung vermitteln lassen musste. Von der Etappe oder Front aus blieben die Briefefür die Masse der Soldaten das einzige Verbindungsmittel zu ihren Angehörigen und besaßen einenentsprechend hohen Stellenwert. Immer wieder kommt es vor, dass Georg Rolly seine Briefpartner,seien es die Eltern, der Bruder Heinz oder seine Freundin Käthe, nachdrücklich um baldige Antwortenauf seine Schreiben ersucht, nicht allein weil er praktische Dinge von ihnen erledigt haben will(insbesondere von seinen Eltern und seinem Bruder), Behördengänge, die Übersendung vonToilettenartikeln, Socken, Bücher, vor allem auch Zigaretten, sondern aus dem Wunsch nach Kontaktund Mitteilsamkeit. Dabei unterlag die Feldpost-Zustellung nicht geringen Schwierigkeiten. Immerneue Feldpostnummern mussten den potenziellen Briefschreibern genannt werden, analog zu denvielen wechselnden Standorten eines Soldaten im Krieg; nicht immer funktionierte dies reibungslos,Feldpostbriefe_Inhalt_10.11.2019.qxp_Layout 1 10.11.19 16:35 Seite 8sodass Briefe an den Absender zurückgingen und erneut, diesmal unter der aktuellen Feldpostnummer,auf die Reise geschickt wurden. Auch wurde aus militärischen Gründen heraus oder wegenÜberlastung der Zustellungsorgane der Feldpostbetrieb für Wochen oder Monate eingestellt, wie diesauch im Ersten Weltkrieg schon der Fall gewesen war. "Ja, ein Brief kann heute in diesem schnellenZeitalter auch mal fünf Monate dauern. [...] Den Weihnachtsgrüßen hättet ihr Pfingstgrüße beifügenkönnen", schreibt Georg Rolly am 2. Mai 1942 unter der Ortsangabe "Im Felde".Die Fremdbestimmung Georg Rollys als Soldat der Wehrmacht zeigt sich neben vielen anderenPunkten im "Verladenwerden" nach hierhin oder dorthin, Westfront oder Ostfront; verbunden mitteilweise tagelanger Zugfahrt und Gewaltmärschen mit Gepäck. Den eigenen Wohnsitz selbst
Erscheinungsdatum | 06.12.2019 |
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Zusatzinfo | Die meisten Briefe von Georg Rolly sind im Buch abgebildet. |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Maße | 280 x 220 mm |
Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | Feldpostbriefe • NS-Propaganda • Verbrechen • zeitgenössisches Zeugnis • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-946112-45-5 / 3946112455 |
ISBN-13 | 978-3-946112-45-7 / 9783946112457 |
Zustand | Neuware |
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