Spielarten und Spielregeln der Liebe (eBook)

Psychologische Analyse der Partnerbeziehung
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
218 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-11105-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spielarten und Spielregeln der Liebe -  Dr. med. Eric Berne
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Mit den Bestsellern «Spiele der Erwachsenen» und «Sprechstunden für die Seele» hat der amerikanische Psychiater Eric Berne seine glanzvolle Begabung bewiesen, mit Witz und Fachkompetenz das komplizierte Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen zu entwirren und anschaulich zu machen. Hier nun durchleuchtet er den intimsten Bereich menschlicher Begegnung. Berne führt uns über das notwendige Verständnis der Psychologie und Physiologie der Liebe zum Selbstverständnis. Er erklärt uns • wie wir über Sexualität sprechen sollten und daß wir darüber sprechen sollten • wie wir uns von sexuellen Zwängen und Tabus der Gesellschaft befreien können • wie und wozu wir unsere Sexualorgane gebrauchen können • welche Spiele wir mit Liebe und Sexualität spielen • warum Sexualität unser seelisches und körperliches Wohlbefinden steigert. Doch liefert Berne weder eine sterile Analyse des Sexualverhaltens noch eine nüchterne Unterweisung in Sexualtechniken. Sein Buch ist eine therapeutische Befreiungstat: Er lehrt uns, Liebe und Sexualität als substantielles Spiel des Menschen zu begreifen, in dem der einzelne bewußt seine Isolierung überwindet und sich im anderen erkennt.

Eric Berne wurde 1910 in Montreal/Kanada geboren; studiere an der McGill University/Montreal Medizin und promovierte 1935 mit einer Arbeit über Psychiatrie; von 1941 bis 1943 Psychiater im New York Psychoanalytic Institute; danach Dozent an der University of California Medical School und Direktor des San Francisco Social Psychiatry Seminar. Eric Berne starb 1970.

Eric Berne wurde 1910 in Montreal/Kanada geboren; studiere an der McGill University/Montreal Medizin und promovierte 1935 mit einer Arbeit über Psychiatrie; von 1941 bis 1943 Psychiater im New York Psychoanalytic Institute; danach Dozent an der University of California Medical School und Direktor des San Francisco Social Psychiatry Seminar. Eric Berne starb 1970.

Erster Teil Sexualität und Sexualorgane


1. Kapitel Warum ist Sexualität notwendig?


Einleitung


Das Leben ist gebunden an ein geordnetes Zusammenwirken unterschiedlicher chemischer Stoffe, die sich zu Ketten, Ringen oder Spiralen vereinigen. Die erste und wichtigste Aufgabe für jedes Lebewesen besteht darin zu überleben, also die Einwirkung zerstörerischer Kräfte von außen abzuwehren und das Zusammenspiel der Ketten, Ringe und Spiralen zu gewährleisten. Nun ist es aber so, daß allen Lebewesen ständig Gefahren drohen. Gelingt es ihnen, diesen Gefahren zu entgehen, so ist ihr ‹Lohn› dafür doch nur das Altwerden. Dann verlieren die Ketten, Ringe und Spiralen allmählich ihren Zusammenhalt, der Organismus stirbt langsam ab. Für das einzelne Individuum gibt es kein ewiges Leben. Ein Weiterleben – wenn auch anderer Art – kann nur in den Nachkommen erfolgen. Eine Tierart, die nicht in der Lage ist, genügend Nachkommen hervorzubringen, läuft Gefahr, auszusterben, wie die Dinosaurier oder die Dronten. Für das einzelne Individuum steht also das Überleben an erster Stelle, für die Art die Fortpflanzung. Die Fortpflanzung wird bekanntlich durch die Sexualität gewährleistet. Deshalb ist für Tiere – nach dem Selbsterhaltungstrieb – die Sexualität das Wichtigste überhaupt, ebenso für den Menschen, wenn auch aus anderen Gründen. Manche Tiere büßen bei der Fortpflanzung sogar ihr Leben ein, einige Spinnenarten etwa oder die Lachse. Es kommt auch vor, daß eine Frau bei der Geburt ihes Kindes stirbt, doch wird im allgemeinen alles getan, um dies zu verhindern.

So wie für das Überleben des Körpers Schutzvorrichtungen notwendig sind, so ist für das Überleben der Gene die Sexualität notwendig. Unser Körper ist sterblich, aber in unseren Genen leben wir fort, wenn sie der nächsten Generation weitergegeben werden. Sie sind wie ein Stab, der in einem biologischen Staffettenlauf von Individuum zu Individuum weitergereicht wird. Manchmal droht dieser Lauf zu stocken, manchmal wieder besteht die Gefahr, daß sich die Teilnehmer gegenseitig tottreten.

Was ist Sexualität?


Die Sexualität hat sich durch Mutationen und Auslese allmählich entwickelt. Der Mensch scheint dabei am günstigsten abgeschnitten zu haben. Er ist mehr als andere Lebewesen in der Lage, Vergnügen zu empfinden. Die menschliche Sexualität ist darum auch wohl die, die am meisten Lust bringt. Ich glaube, wir dürfen uns auf diese Tatsache ruhig etwas einbilden. Wem dies aber nicht gefällt, der kann ja wieder das werden, was er einst war – eine Qualle (womit er der sexuellen Lust gänzlich entsagt).

Als Vorformen der Sexualität finden sich im Tierreich zwei andere Methoden der Fortpflanzung. Die niedersten Organismen – jedenfalls nennen wir sie so, und bis jetzt haben sie noch nicht dagegen protestiert – pflanzen sich durch Zellteilung fort. Die einzelligen Lebewesen nehmen so lange Nahrung in sich auf, bis ihnen die Haut zu eng wird, bersten auseinander und schon sind zwei, wo vorher nur eines war. Es klingt wie ein Stoßseufzer: «Da haben wir es wieder!» oder gar: «Warum passiert mir das nur immer wieder!» Keinesfalls klingt es wie unser ‹Prima›. Nebenbei bemerkt ist durch diese Art der Fortpflanzung keinerlei Abwandlung möglich. Beide Tochterzellen bestehen aus dem gleichen Material wie die Mutterzelle. Für Originalität ist kein Raum. Der große Nachteil dabei ist, daß jede größere Veränderung der Umwelt, die eine Zelle tötet, wahrscheinlich alle töten wird – sie sind ja alle gleich.

Die Konjugation bedeutet einen kleinen Schritt vorwärts. An ihr sind schon zwei Organismen beteiligt. Bei der Konjugation schmiegen sie sich eng aneinander und tauschen einige Ringe und Spiralen aus, worauf sie sich wieder trennen. Wenn sie sich nun teilen, sind die Tochterzellen nicht mehr einander völlig gleich. Die Aussicht zu überleben wird größer, denn wenn jetzt in der Umwelt eine Veränderung auftritt, so wird sie wohl einige der Individuen töten können, sicherlich aber nicht alle.

Bei Lebewesen, die sich durch Zellteilung fortpflanzen, gibt es noch keine Männchen und Weibchen – zumindest ist es für uns schwierig, sie nach Geschlechtern einzuteilen. Zellteilung ist also eine ungeschlechtliche Fortpflanzung.

Mehr Ähnlichkeit mit der menschlichen Fortpflanzung weist da schon die Kopulation auf. Sie findet sich bei den meisten Tieren, die sich dann auch in männlich und weiblich einteilen lassen. Im allgemeinen ist es so, daß das männliche Tier seinen Samen irgendwie in den Körper des Weibchens bringt und dort die Eizellen befruchtet. Da es keine zwei Keimzellen gibt, deren Gensätze völlig gleich sind, entsteht eine unermeßliche Variationsbreite. Jedes Lebewesen unterscheidet sich mehr oder weniger stark von seinen Geschwistern, eine Ausnahme bilden nur die eineiigen Zwillinge. Die Überlebenschance der Art aber wird durch diese Fortpflanzungsmethode erheblich verbessert. Es gibt auch einige Tiere – einige Fischarten zum Beispiel –, die zwar aus zwei Geschlechtern bestehen, aber doch nicht kopulieren. Bei diesen Tieren gibt das Weibchen seine Eizellen ins Wasser ab, das Männchen befruchtet die Eizellen im Wasser, nicht im Körper des Weibchens.

Paarung ist nur ein anderes Wort für Kopulation, klingt jedoch erheblich gefühlvoller. Es wird gern benutzt von Vogelliebhabern und Katzenfreunden, aber auch von Lehrern. Mit diesem Ausdruck ist die Vorstellung verbunden, die Tiere wählten ihre Partner bewußt aus und seien ihnen innig zugetan. Diese Vorstellung ist aber doch wohl zu romantisch und trifft nur bedingt zu.

Beim Menschen spricht man nicht von ‹Paarung›, sondern von ‹sexueller Vereinigung›, eine Formel, die vor allem die Geistlichen gern gebrauchen. Sie wollen damit sagen, daß der Sexualakt beim Menschen eine geistige Komponente enthält oder doch enthalten sollte und sich dadurch von der Paarung der Tiere abhebt. Doch auch das stimmt nicht immer. Gleichwohl nennen die Geistlichen alle sexuellen Vereinigungen gesegnet, vor allem dann, wenn Kinder aus ihnen hervorgehen.

Alle diese Wörter – Kopulation, Paarung, sexuelle Vereinigung – erwecken den Anschein, als sei der einzige Zweck dieses Vorgangs die Fortpflanzung. Das ist aber für den Menschen völlig unzutreffend – grob geschätzt führt nur etwa jeder tausendste Sexualakt zu einer Schwangerschaft. Es war ein großer Fortschritt für die Menschen, als sie der Sexualität neben der biologischen Bedeutung – für die Fortpflanzung – noch eine andere Aufgabe zuerkannten: nämlich Lust und Freude zu machen. Die Menschen sind auch die einzigen Lebewesen, die sich sexuell betätigen und dabei die Fortpflanzungsfunktion willkürlich ausschalten können. Mehr noch, sie haben die ‹Fortpflanzung ohne Sexualität› erfunden.

Kehren wir nun zu unserem Ausgangspunkt zurück, den verschiedenen Arten der Fortpflanzung. Eines läßt sich mit Sicherheit sagen: die geschlechtliche Fortpflanzung ist der Fortpflanzung durch Zellteilung haushoch überlegen, selbst wenn die Zellteilung mit der Konjugation gekoppelt wird, weil die Wahrscheinlichkeit, unter wechselnden Umweltbedingungen zu überleben, ansteigt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß durch die Neukombination der Gene eine größere Variabilität der Individuen erreicht wird. Ein weiterer beachtenswerter Punkt: Lebewesen, die sich ihre Partner suchen müssen, wenn sie sich fortpflanzen wollen, werden weitere Gebiete durchstreifen und größere Risiken eingehen als die, die sich mit der weniger aufwendigen Methode der Zellteilung zufriedengeben. Dabei werden die Anstrengungen und Risiken, die ein Lebewesen auf sich zu nehmen bereit ist, um so größer sein, je stärker die Anziehungskraft der Sexualität ist. So wird die Sexualität zu einem wirkungsvollen Mittel der Evolution. Durch die geschlechtliche Fortpflanzung entsteht eine Vielzahl unterschiedlicher Artgenossen, die unter den verschiedensten Umweltbedingungen zu leben vermögen, und die – das ist das Wichtigste – sich immer weiter entwickeln können.

Um was geht es beim Sex?


Ich weiß, meine bisherigen Ausführungen sind allenfalls geeignet, eine neugierige Schnecke zufriedenzustellen – sie würde vielleicht trauriger, aber doch klüger als vorher, abschieben. Zum Verständnis der Spannungen und der Erregung, in die uns die Sexualität versetzen kann, tragen sie nur wenig bei. Ich möchte darum im folgenden in einigen Punkten kurz auf mögliche Bedeutungen der Sexualität eingehen.

1. Man kann die Sexualität als Mittel der Fortpflanzung ansehen. Ihre Bedeutung liegt dann darin, die Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle zu erreichen und so neues Leben zu erzeugen. Fortpflanzung kann aber auch ohne Sexualität erfolgen, nämlich bei der künstlichen Befruchtung.

2. Einige Menschen betrachten Sexualität als Pflichtübung. Sie sprechen von der Pflicht der Frau, ihrem Gatten Kinder zu gebären und von der Pflicht des Mannes, die Kinder zu zeugen. Weiterhin sprechen sie von der Pflicht der Frau, sich den Wünschen des Mannes zu unterwerfen, und von der Pflicht des Mannes, der Frau all das zu geben, was sie in ihrer Mädchenzeit entbehren mußte. Heutzutage spricht man auch noch viel von der Pflicht der Partner, sich gegenseitig zum Orgasmus zu verhelfen.

3. Sexuelle Betätigung kann eine Art Ritus sein. Man befolgt ihn morgens oder abends, an Geburtstagen, an kirchlichen und weltlichen Feiertagen.

4. Sexualität kann ein Mittel zur Minderung von Spannungen sein, die uns sonst ablenken oder gar Unwohlsein oder...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2018
Übersetzer Edelgard Stöhr, Gerd Stöhr
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Partnerschaft • Probleme • Sexualität • Vertrauen • Zärtlichkeit
ISBN-10 3-688-11105-2 / 3688111052
ISBN-13 978-3-688-11105-3 / 9783688111053
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