Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (eBook)
219 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30110-6 (ISBN)
Bastian Sick, geboren in Lübeck, studierte Geschichtswissenschaft und Romanistik. Während seines Studiums arbeitete er als Korrektor für den Hamburger Carlsen-Verlag. 1995 wurde er Dokumentationsjournalist beim SPIEGEL, 1999 wechselte er in die Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Dort schrieb er ab 2003 die Sprachkolumne »Zwiebelfisch«. Aus diesen heiteren Geschichten über die deutsche Sprache wurde die Buchreihe »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«. Es folgten zahlreiche Fernsehauftritte und eine Lesereise, die in der »größten Deutschstunde der Welt« gipfelte, zu der 15.000 Menschen in die Köln-Arena strömten. Seitdem war Bastian Sick mehrmals mit Bühnenprogrammen auf Tournee, in denen er eine neuartige Mischung aus Lesung, Kabarett und Quizshow präsentierte. In vierzehn Jahren schrieb er vierzehn Bücher.
Bastian Sick, geboren in Lübeck, studierte Geschichtswissenschaft und Romanistik. Während seines Studiums arbeitete er als Korrektor für den Hamburger Carlsen-Verlag. 1995 wurde er Dokumentationsjournalist beim SPIEGEL, 1999 wechselte er in die Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Dort schrieb er ab 2003 die Sprachkolumne »Zwiebelfisch«. Aus diesen heiteren Geschichten über die deutsche Sprache wurde die Buchreihe »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«. Es folgten zahlreiche Fernsehauftritte und eine Lesereise, die in der »größten Deutschstunde der Welt« gipfelte, zu der 15.000 Menschen in die Köln-Arena strömten. Seitdem war Bastian Sick mehrmals mit Bühnenprogrammen auf Tournee, in denen er eine neuartige Mischung aus Lesung, Kabarett und Quizshow präsentierte. In vierzehn Jahren schrieb er vierzehn Bücher.
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod
Nicht nur die SPD hat es in Bayern schwer. Auch der Genitiv wird nicht ernst genommen. Freilich ist es das gute Recht eines jeden Volksstammes, sich außer seiner Regierung auch seine eigene Grammatik zu wählen. Bedenklich wird es erst, wenn »wegen dem« Dialekt die Hochsprache verflacht. Ein Traktat zugunsten des zweiten Falles.
»Wegen dir«, sang die bayerische Sängerin Nicki 1986. Das Lied war damals ein großer Erfolg und erlangte Bekanntheit weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Ein deutscher Schlager, der nicht auf Hochdeutsch getextet war. Die Bayern, das weiß man, haben’s net so mit dem Wes-Fall (Woos is des?), sie lieben den Dativ wie das Weißbier und die Blasmusik. Daher verzieh man der Sängerin auch gerne den dritten Kasus im Zusammenhang mit dem Wörtchen »wegen«.
Als müsse er diesem genitivfeindlichen Tiefschlag etwas entgegenhalten, brachte im selben Jahr der Österreicher Udo Jürgens eine Platte mit ähnlich klingendem Titel heraus: »Deinetwegen« hieß das Album, und es wurde ein großer Erfolg weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Zum Glück: So wurden die Radiohörer im deutschsprachigen Raum daran erinnert, dass man in Bayern »wegen dir« sagen kann, dass die richtige Form aber »deinetwegen« lautet. Denn was Udo Jürgens singt, ist immer bestes Hochdeutsch. Ein Jahr lang ging er mit »Deinetwegen« auf Tournee, ein beispielloser Kreuzzug für die Rettung des Genitivs.
Die Wirkung indes blieb begrenzt; in den Neunzigerjahren erschienen immer mehr Lieder und CDs, die »Wegen dir« im Titel führten. Und hier war der dritte Fall nicht mehr mit Dialekt zu entschuldigen; denn die Sänger artikulierten sich in Hochdeutsch, beziehungsweise in etwas, das sie dafür hielten. Im Sängerkrieg der Schlagerbarden ist der Genitiv unterlegen. Muss man ihn unter Artenschutz stellen? Einen Verein zu seiner Rettung ins Leben rufen?
In deutschen Grammatikwerken ist nachzulesen, dass hinter »wegen« in besonderen Fällen der Dativ stehen kann. Ein solcher besonderer Fall ist gegeben, wenn die Präposition vor einem »unbekleideten« Nomen steht, also einem Hauptwort, das weder Artikel noch Attribut mit sich führt: »Wegen Umbau geschlossen« – das ist erlaubt, es muss nicht »wegen Umbaus« heißen. Ist das Hauptwort jedoch »bekleidet«, bleibt der Genitiv die bessere Wahl: »wegen des Umbaus«, »wegen kompletten Umbaus«. Dennoch hört man immer häufiger »wegen dem« statt »wegen des«. Auch hinter »laut« scheint sich der Dativ durchgesetzt zu haben. Immer seltener hört man »laut eines Berichts« und immer häufiger dafür »laut einem Bericht«.
Führt der Genitiv nur noch verzweifelte Rückzugsgefechte? Ganz so gefährdet, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist der zweite Fall in Wahrheit nicht. Er versteht es durchaus, sich zu wehren, und macht sogar Anstalten, fremdes Terrain zu erobern. Immer wieder tauchen Fälle auf, in denen hinter Präpositionen, die den Dativ erfordern, plötzlich ein Genitiv zu finden ist: »gemäß des Protokolls«, »entsprechend Ihrer Anweisungen«, »entgegen des guten Vorsatzes«, »nahe des Industriegebietes«. Dies geht so weit, dass sich die Grammatikwerke bemüßigt fühlen, diese Präpositionen mit dem ausdrücklichen Hinweis zu versehen, dass ihnen NICHT der Genitiv folge, sondern der Dativ.
Im Falle der Präposition »trotz« ist dem Genitiv die feindliche Übernahme gelungen: Standardsprachlich wird heute hinter »trotz« der Wes-Fall verwendet. Dass dies nicht immer so war, beweisen Wörter wie »trotzdem« und »trotz allem«. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz wird »trotz« weiterhin mit dem Dativ verbunden. Nicki würde auf Bayerisch singen: »Trotz dem damischen Zwiebelfisch« und Udo Jürgens auf Hochdeutsch kontern: »Trotz des nervigen Zwiebelfisch(e)s«.
Der Dativ ist des Genitivs Freund und Gehilfe. Er springt zum Beispiel dann ein, wenn es gilt, einen doppelten Genitiv zu vermeiden (»laut dem Bericht des Ministers« statt »laut des Berichts des Ministers«), und wenn im Plural der Genitiv nicht erkennbar ist (»wegen Geschäften« statt »wegen Geschäfte«). |
angesichts | mit Genitiv | angesichts des dichten Verkehrs; angesichts vieler neuer Probleme |
aufgrund / auf Grund | mit Genitiv | aufgrund schlechten Wetters; aufgrund falscher Vorhersagen; aufgrund seines Geständnisses |
aufgrund von / auf Grund von | mit Dativ | aufgrund von schlechtem Wetter; aufgrund von Zeugenaussagen |
dank | mit Genitiv | dank seines guten Rufs |
einschließlich (vor bekleidetem Hauptwort) | mit Genitiv | einschließlich seines Vermögens; einschließlich des Portos |
einschließlich (vor unbekleidetem Hauptwort) | mit Genitiv / mit Dativ | einschließlich Portos / einschließlich Porto |
entgegen | mit Dativ | entgegen anders lautenden Behauptungen; entgegen seinem Wunsch |
entsprechend | mit Dativ | entsprechend seinen Angaben; entsprechend dem Gesetz |
gemäß | mit Dativ | gemäß dem Gesetz; dem Alter gemäß |
infolge | mit Genitiv | infolge des letzten Krieges; infolge (des) schlechten Wetters |
infolge von | mit Dativ | infolge von Krieg und Hungersnot |
innerhalb / außerhalb | mit Genitiv | innerhalb des Geländes; außerhalb der Öffnungszeiten |
kraft | mit Genitiv | kraft seines Amtes; kraft des ihm verliehenen Titels |
laut (vor bekleidetem Hauptwort) | mit Genitiv | laut eines Zeitungsberichtes; laut seines Befehls |
laut (vor unbekleidetem Hauptwort) | mit Dativ | laut Zeitungsbericht; laut Befehl |
mittels | mit Genitiv | mittels eines Zauberspruchs; mittels vieler kleiner Schritte |
nahe | mit Dativ | nahe dem Dorf; nahe dem Fluss; ein Grundstück nahe dem Flugplatz |
namens | mit Genitiv | namens ihres Vaters; namens des Vereins |
seitens | mit Genitiv | seitens seiner Eltern; seitens des Publikums |
statt | mit Genitiv | statt des Vaters kam der Sohn; statt der Frau öffnete ihm das Kind |
trotz (vor bekleidetem... |
Erscheint lt. Verlag | 21.9.2009 |
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Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Sprachwissenschaft | |
Schlagworte | Bastian Sick • Dativ • Deutsch • Deutsche Sprache • Fehler • Folge 1 • Frühstückstisch • Genitiv • Grammatik • Happy Aua • Humor • humorvoll • Kiepenheuer & Witsch • Köln • Namensverwirrung • Rechtschreibung • Sachbuch • Sprache • Sprach-Phänomene • Zwiebelfisch • Zwiebelfisch-Kolumne |
ISBN-10 | 3-462-30110-1 / 3462301101 |
ISBN-13 | 978-3-462-30110-6 / 9783462301106 |
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