Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (eBook)

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2009 | 1. Auflage
219 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30110-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 -  Bastian Sick
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Die erfolgreiche Spiegel-Online-Kolumne Zwiebelfisch - als Buch über eine Million verkaufte Exemplare! Die oder das Nutella - diese Frage hat schon viele Gemüter am Frühstückstisch bewegt. Der, die, das - wieso, weshalb, warum? Ob Nutella nun weiblich oder sächlich ist, ist sicherlich keine Frage auf Leben und Tod, aber eine Antwort hätten wir schon gern. Wir? Ja, wir hilflos Verlorenen im Labyrinth der deutschen Sprache. Wir, die wir unsere liebe Not mit der deutschen Sprache haben. Und leichter, verständlicher oder zumindest nachvollziehbarer ist es nach der Rechtschreibreform auch nicht geworden. In seinen hinreißend komischen und immer klugen Kolumnen bringt Bastian Sick Licht ins Dunkel der deutschen Sprachregelungen und sortiert den Sprachmüll. Ist der inflationären Verwendung von Bindestrichen noch Einhalt zu gebieten, angesichts von Spar-Plänen und Quoten-Druck?Versinken wir sprachlich gesehen nicht längst im Hagel der Apostrophe, wenn Känguru's plötzlich in den Weiten Australien's leben? Derlei Unsinn scheint nicht mehr aufhaltbar, wenn es nicht dieses Buch gäbe. Darauf zwei Espressis! Das Hörbuch mit zwei CDs und 153 Minuten Laufzeit ist im Audio-Verlag erschienen.

Bastian Sick, geboren in Lübeck, studierte Geschichtswissenschaft und Romanistik. Während seines Studiums arbeitete er als Korrektor für den Hamburger Carlsen-Verlag. 1995 wurde er Dokumentationsjournalist beim SPIEGEL, 1999 wechselte er in die Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Dort schrieb er ab 2003 die Sprachkolumne »Zwiebelfisch«. Aus diesen heiteren Geschichten über die deutsche Sprache wurde die Buchreihe »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«. Es folgten zahlreiche Fernsehauftritte und eine Lesereise, die in der »größten Deutschstunde der Welt« gipfelte, zu der 15.000 Menschen in die Köln-Arena strömten. Seitdem war Bastian Sick mehrmals mit Bühnenprogrammen auf Tournee, in denen er eine neuartige Mischung aus Lesung, Kabarett und Quizshow präsentierte. In vierzehn Jahren schrieb er vierzehn Bücher.

Bastian Sick, geboren in Lübeck, studierte Geschichtswissenschaft und Romanistik. Während seines Studiums arbeitete er als Korrektor für den Hamburger Carlsen-Verlag. 1995 wurde er Dokumentationsjournalist beim SPIEGEL, 1999 wechselte er in die Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Dort schrieb er ab 2003 die Sprachkolumne »Zwiebelfisch«. Aus diesen heiteren Geschichten über die deutsche Sprache wurde die Buchreihe »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«. Es folgten zahlreiche Fernsehauftritte und eine Lesereise, die in der »größten Deutschstunde der Welt« gipfelte, zu der 15.000 Menschen in die Köln-Arena strömten. Seitdem war Bastian Sick mehrmals mit Bühnenprogrammen auf Tournee, in denen er eine neuartige Mischung aus Lesung, Kabarett und Quizshow präsentierte. In vierzehn Jahren schrieb er vierzehn Bücher.

Inhaltsverzeichnis

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod


Nicht nur die SPD hat es in Bayern schwer. Auch der Genitiv wird nicht ernst genommen. Freilich ist es das gute Recht eines jeden Volksstammes, sich außer seiner Regierung auch seine eigene Grammatik zu wählen. Bedenklich wird es erst, wenn »wegen dem« Dialekt die Hochsprache verflacht. Ein Traktat zugunsten des zweiten Falles.

»Wegen dir«, sang die bayerische Sängerin Nicki 1986. Das Lied war damals ein großer Erfolg und erlangte Bekanntheit weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Ein deutscher Schlager, der nicht auf Hochdeutsch getextet war. Die Bayern, das weiß man, haben’s net so mit dem Wes-Fall (Woos is des?), sie lieben den Dativ wie das Weißbier und die Blasmusik. Daher verzieh man der Sängerin auch gerne den dritten Kasus im Zusammenhang mit dem Wörtchen »wegen«.

Als müsse er diesem genitivfeindlichen Tiefschlag etwas entgegenhalten, brachte im selben Jahr der Österreicher Udo Jürgens eine Platte mit ähnlich klingendem Titel heraus: »Deinetwegen« hieß das Album, und es wurde ein großer Erfolg weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Zum Glück: So wurden die Radiohörer im deutschsprachigen Raum daran erinnert, dass man in Bayern »wegen dir« sagen kann, dass die richtige Form aber »deinetwegen« lautet. Denn was Udo Jürgens singt, ist immer bestes Hochdeutsch. Ein Jahr lang ging er mit »Deinetwegen« auf Tournee, ein beispielloser Kreuzzug für die Rettung des Genitivs.

 

Die Wirkung indes blieb begrenzt; in den Neunzigerjahren erschienen immer mehr Lieder und CDs, die »Wegen dir« im Titel führten. Und hier war der dritte Fall nicht mehr mit Dialekt zu entschuldigen; denn die Sänger artikulierten sich in Hochdeutsch, beziehungsweise in etwas, das sie dafür hielten. Im Sängerkrieg der Schlagerbarden ist der Genitiv unterlegen. Muss man ihn unter Artenschutz stellen? Einen Verein zu seiner Rettung ins Leben rufen?

 

In deutschen Grammatikwerken ist nachzulesen, dass hinter »wegen« in besonderen Fällen der Dativ stehen kann. Ein solcher besonderer Fall ist gegeben, wenn die Präposition vor einem »unbekleideten« Nomen steht, also einem Hauptwort, das weder Artikel noch Attribut mit sich führt: »Wegen Umbau geschlossen« – das ist erlaubt, es muss nicht »wegen Umbaus« heißen. Ist das Hauptwort jedoch »bekleidet«, bleibt der Genitiv die bessere Wahl: »wegen des Umbaus«, »wegen kompletten Umbaus«. Dennoch hört man immer häufiger »wegen dem« statt »wegen des«. Auch hinter »laut« scheint sich der Dativ durchgesetzt zu haben. Immer seltener hört man »laut eines Berichts« und immer häufiger dafür »laut einem Bericht«.

Führt der Genitiv nur noch verzweifelte Rückzugsgefechte? Ganz so gefährdet, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist der zweite Fall in Wahrheit nicht. Er versteht es durchaus, sich zu wehren, und macht sogar Anstalten, fremdes Terrain zu erobern. Immer wieder tauchen Fälle auf, in denen hinter Präpositionen, die den Dativ erfordern, plötzlich ein Genitiv zu finden ist: »gemäß des Protokolls«, »entsprechend Ihrer Anweisungen«, »entgegen des guten Vorsatzes«, »nahe des Industriegebietes«. Dies geht so weit, dass sich die Grammatikwerke bemüßigt fühlen, diese Präpositionen mit dem ausdrücklichen Hinweis zu versehen, dass ihnen NICHT der Genitiv folge, sondern der Dativ.

 

Im Falle der Präposition »trotz« ist dem Genitiv die feindliche Übernahme gelungen: Standardsprachlich wird heute hinter »trotz« der Wes-Fall verwendet. Dass dies nicht immer so war, beweisen Wörter wie »trotzdem« und »trotz allem«. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz wird »trotz« weiterhin mit dem Dativ verbunden. Nicki würde auf Bayerisch singen: »Trotz dem damischen Zwiebelfisch« und Udo Jürgens auf Hochdeutsch kontern: »Trotz des nervigen Zwiebelfisch(e)s«.

Der Dativ ist des Genitivs Freund und Gehilfe. Er springt zum Beispiel dann ein, wenn es gilt, einen doppelten Genitiv zu vermeiden (»laut dem Bericht des Ministers« statt »laut des Berichts des Ministers«), und wenn im Plural der Genitiv nicht erkennbar ist (»wegen Geschäften« statt »wegen Geschäfte«).

angesichts

mit Genitiv

angesichts des dichten Verkehrs; angesichts vieler neuer Probleme

aufgrund / auf Grund

mit Genitiv

aufgrund schlechten Wetters; aufgrund falscher Vorhersagen; aufgrund seines Geständnisses

aufgrund von / auf  Grund von

mit Dativ

aufgrund von schlechtem Wetter; aufgrund von Zeugenaussagen

dank

mit Genitiv

dank seines guten Rufs

einschließlich (vor bekleidetem Hauptwort)

mit Genitiv

einschließlich seines Vermögens; einschließlich des Portos

einschließlich (vor unbekleidetem Hauptwort)

mit Genitiv / mit Dativ

einschließlich Portos / einschließlich Porto

entgegen

mit Dativ

entgegen anders lautenden Behauptungen; entgegen seinem Wunsch

entsprechend

mit Dativ

entsprechend seinen Angaben; entsprechend dem Gesetz

gemäß

mit Dativ

gemäß dem Gesetz; dem Alter gemäß

infolge

mit Genitiv

infolge des letzten Krieges; infolge (des) schlechten Wetters

infolge von

mit Dativ

infolge von Krieg und Hungersnot

innerhalb / außerhalb

mit Genitiv

innerhalb des Geländes; außerhalb der Öffnungszeiten

kraft

mit Genitiv

kraft seines Amtes; kraft des ihm verliehenen Titels

laut (vor bekleidetem Hauptwort)

mit Genitiv

laut eines Zeitungsberichtes; laut seines Befehls

laut (vor unbekleidetem Hauptwort)

mit Dativ

laut Zeitungsbericht; laut Befehl

mittels

mit Genitiv

mittels eines Zauberspruchs; mittels vieler kleiner Schritte

nahe

mit Dativ

nahe dem Dorf; nahe dem Fluss; ein Grundstück nahe dem Flugplatz

namens

mit Genitiv

namens ihres Vaters; namens des Vereins

seitens

mit Genitiv

seitens seiner Eltern; seitens des Publikums

statt

mit Genitiv

statt des Vaters kam der Sohn; statt der Frau öffnete ihm das Kind

trotz (vor bekleidetem...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2009
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Sprachwissenschaft
Schlagworte Bastian Sick • Dativ • Deutsch • Deutsche Sprache • Fehler • Folge 1 • Frühstückstisch • Genitiv • Grammatik • Happy Aua • Humor • humorvoll • Kiepenheuer & Witsch • Köln • Namensverwirrung • Rechtschreibung • Sachbuch • Sprache • Sprach-Phänomene • Zwiebelfisch • Zwiebelfisch-Kolumne
ISBN-10 3-462-30110-1 / 3462301101
ISBN-13 978-3-462-30110-6 / 9783462301106
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