Ärztliche Handlungen bei extrem unreifen Frühgeborenen (eBook)
XVII, 344 Seiten
Springer Berlin (Verlag)
978-3-540-70604-5 (ISBN)
Umfang und Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht in der Neugeborenenmedizin sind nicht klar umrissen. Kompetenzen und Kriterien sind umstritten. Der Autor diskutiert disziplinübergreifend: klinische Praxis, verfassungsrechtliche Vorgaben, Heilauftrag, Straf- und Arzthaftungsrecht. Kritisch betrachtet er ethische Lösungsansätze und standesrechtliche Richtlinien. Er benennt Behandlungsgrenzen und zeigt den Weg aus dem Entscheidungsdilemma.
Vorwort 6
Inhaltsverzeichnis 7
Abkürzungsverzeichnis 15
1 Einführung 18
A. Thematischer Überblick 18
B. Terminologische Klärung 21
Erster Teil: Klinische Situation 24
2 Medizinisch-biologische Grundlagen und Begriffe 26
A. Das Neugeborene 26
B. Die Frühgeburt 27
C. Die Fehlgeburt 40
D. Das sog. schwerstgeschädigte Neugeborene 43
3 Die klinische Praxis 64
A. Die Entscheidungssituation 64
B. Zur Phänomenologie der Probleme 68
Zweiter Teil: Rechtliche und ethische Grundlagen der ärztlichen Behandlungspflicht 78
4 Der verfassungsrechtliche Hintergrund 81
A. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 81
B. Die Menschenwürde 92
C. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten 100
D. Das Elternrecht 115
E. Die Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit 135
F. Die Berufsfreiheit des Arztes 138
G. Konkurrenzen 140
H. Zusammenfassung 141
5 Der strafrechtliche Schutz des Frühgeborenen 146
A. Der Schutz des Lebens im Strafrecht 146
B. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Strafrecht 158
C. Die Einwilligung in die ärztliche Behandlung 161
D. Zur Garantenstellung und Garantenpflicht des Arztes 169
E. Zusammenfassung 179
6 Früheuthanasie – Zur Behandlung extrem unreifer Frühgeborener 182
A. Zum Begriff der Früheuthanasie 183
B. Früheuthanasie und Sterbehilfe 184
7 Die Indikationsstellung 188
A. Die Bestimmung der medizinisch indizierten Behandlung 188
B. Die Problematik bei extrem unreifen Frühgeborenen 189
C. Der ärztliche Heilauftrag 192
D. Entscheidungskriterien im Bereich Diagnose und Prognose 241
E. Objektive Kriterien für den Abwägungsprozess 264
8 Objektive Kriterien zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens 288
A. Zur Erinnerung: Die Ausgangslage 288
B. Welche objektiven Kriterien gibt es? 291
C. Interessengerechte Sterbehilfemaßnahmen („Früheuthanasie“) 296
D. Zusammenfassung 310
9 Der zivilrechtliche Schutz des Frühgeborenen 314
A. Die Arzthaftung 314
B. Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Neugeborenen 315
C. Die ärztliche Behandlungspflicht 322
D. Auswirkungen der Behandlungspflicht auf andere ärztliche Pflichten 334
E. Die Entscheidung über die Behandlung –Zur praktischen Umsetzung 337
F. Zusammenfassung 339
10 Fazit 342
Literaturverzeichnis 344
§ 5 Der strafrechtliche Schutz des Frühgeborenen (S. 129-130)
Der Arzt, der ein Frühgeborenes behandelt, greift in dessen Rechtsgüter ein. Das führt im Wege einer ex-post-Kontrolle dazu, dass der Arzt als „Täter" eines strafrechtlichen Delikts mit dem Frühgeborenen als „Opfer" in Betracht kommt, wenn dessen Rechtsgüter durch ärztliche Maßnahmen verletzt werden. Um dies zu vermeiden, dürfen seine ärztlichen Handlungspflichten nicht den strafrechtlichen Pflichten zuwiderlaufen. Dabei ist zu beachten, dass der Arzt sich nicht nur durch aktives Handeln strafbar machen kann, sondern auch durch seine Untätigkeit, weil er mit der Behandlungszusage Obhutspflichten für die Rechtsgüter des Frühgeborenen übernimmt.
Er wird zum sog. Beschützergaranten für den Säugling. Diese Garantenstellung sowie seine aus § 323c StGB folgende allgemeine Hilfspflicht sind weitere Gründe dafür, dass die ärztliche Tätigkeit strafrechtlichen Verboten und Geboten unterliegt, die seine ärztliche Handlungsfreiheit begrenzt. Wie ein Blick in die einschlägigen Gesetze zeigt, kennen indes weder das Strafgesetzbuch noch die strafrechtlichen Nebengesetze Regelungen, die sich ausdrücklich an den Arzt wenden und die medizinischen Entscheidungsprobleme im Zusammenhang mit der Behandlung extrem unreifer Frühgeborenen näher regeln.
Da der Arzt im Bereich von Krankheit und Tod tätig ist, werden jedoch die Rechtsgüter „Leben" und „körperliche Unversehrtheit" des Neugeborenen betroffen. Im folgenden Abschnitt soll deshalb ein erster Blick auf die diese Rechtsgüter schützenden Strafnormen geworfen werden. Dabei werden quasi als „Allgemeiner Teil" zunächst lediglich die gesetzlichen Vorgaben aufgezeigt. Dem schließt sich in den nachfolgenden Abschnitten ein „Besonderer Teil" an, der sich dann mit den Details der strafrechtlichen Problematik um ärztliche Handlungspflichten nach einer Frühgeburt beschäftigt.
A. Der Schutz des Lebens im Strafrecht
Die lebenserhaltende Behandlungspflicht ist korrespondierendes Gegenstück zum Tötungsverbot: Wo der Arzt diese Pflicht nicht verletzt, handelt er dem Tötungsverbot nicht zuwider.582 Historisch reicht die strafrechtliche Absicherung des 5. Gebots aus dem Dekalog: „Du sollst nicht töten!"583 bis in die Anfänge des Straf rechts und des Rechts überhaupt zurück. Tatsächlich ist der strafrechtliche Schutz des Lebens Inhalt jeder bestehenden Rechtsordnung. Das deutsche Strafgesetzbuch normiert im 16. Abschnitt die Straftaten gegen das Leben. Unterschieden wird dabei zwischen dem Lebensschutz des Geborenen und dem Lebensschutz des Ungeborenen.
I. Die Tötungsdelikte – Schutz des geborenen Lebens
Geborenes menschliches Leben wird durch die in §§ 211-216, 222 StGB normierten Tötungsdelikte strafrechtlich geschützt. Sie sind der „verlängerte Arm der Verfassung" bei der Umsetzung des grundrechtlich gebotenen Lebensschutzes.585 Strafbar sind sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Tötung. Der Schutz lässt sich insoweit als „lückenlos" bezeichnen. Tatobjekt ist der Mensch: Wo sein Leben durch einen anderen verletzt wird, kommen die Tötungsdelikte in Betracht.
Der Status als „Mensch" ist somit konstituierend für deren Anwendung. Dabei darf die Frage nach der „Mensch"-Werdung nicht falsch verstanden und verwechselt werden mit der Frage nach dem Beginn des Lebensschutzes im Strafrecht, zielt erstere Frage doch allein auf den Beginn des strafrechtlichen Schutzes durch die §§ 211ff. StGB in Abgrenzung zu §§ 218ff. StGB. Mit der Festlegung, ab wann Leben Menschenqualität erlangt, trifft das Strafrecht keine verbindliche Aussage über den Beginn des menschlichen Lebens aus ethischer oder biologischer Sicht.586 Zwar orientiert sich die strafrechtliche Bestimmung durchaus auch an den Erkenntnissen von Medizin und Naturwissenschaft und berücksichtigt ethische Aspekte wie Alltagsanschauungen.
Erscheint lt. Verlag | 17.4.2007 |
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Reihe/Serie | MedR Schriftenreihe Medizinrecht | MedR Schriftenreihe Medizinrecht |
Zusatzinfo | XVII, 344 S. |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Gynäkologie / Geburtshilfe | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Pädiatrie | |
Recht / Steuern ► Öffentliches Recht | |
Schlagworte | Ärztliche Behandlungspflicht • Euthanasie • Früheuthanasie • Frühgeborene • Gesundheitsstrukturgesetz • Haftungsrecht • Medizinethik • Neugeborene • Neugeborenes • Patientenautonomie • Tod |
ISBN-10 | 3-540-70604-6 / 3540706046 |
ISBN-13 | 978-3-540-70604-5 / 9783540706045 |
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