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Vorwort


Liebe Leser!

In Ober St.Veit, der idyllisch-verschlafenen Heimat meiner Kindheit, am Südwestrand Wiens, lauschte ich gern den Erzählungen der "Alten" - ihre Rede war blumig, bildhaft und mit geheimnisvollen Ausdrücken geschmückt. Wo sich Tante Klara ihre Gicht an den faltigen Händen zugezogen hatte, trat für mich aber in den Hintergrund - angesichts des faszinierenden Ausdrucks "Zippal". Niemals hätte ich definieren können, was ein "Zippal" genau ist. Aber mit dem Herzen hab ich's verstanden, weil es ein Stück von meinem sprachlichen Mutterboden war. Damals erwachte sie in mir, die Liebe zum Wiener Dialekt.

Mit 14 begann ich meine Lehre im elterlichen Orgelbaubetrieb in Fünfhaus (15. Bezirk) und wurde unsanft in eine völlig andere Sprachlandschaft gestoßen. Und wieder einige Jahre später, als ich die Lehre in der Leopoldstadt (2. Bezirk) abschloss, kam der nächste Kulturschock: Der dortige Prater-Jargon umfasste alles, was man uns in der Schule der ehrwürdigen Schulbrüder streng verboten hatte.

Den drei Sprachen - angeblich alle deutsch -, die ich so erlernte, war eigentlich nur eines gemeinsam: Man fühlte sich ihnen auf wundersame Weise verwandt, sie schufen eine anheimelnde Vertrautheit, die uns die mühsam erlernte Hochsprache niemals vermitteln konnte. Das "Weanarische" wurde zu meinem sprachlichen Zuhause. Vom näselnden Schönbrunner-Deutsch bis hin zur unverfälscht derben Sprache des Praters, diese reichhaltig-lebendige "Melange" meines Heimatdialekts, war mir später bei meiner Schauspielausbildung am Reinhardt-Seminar überaus hilfreich.



Weanarisch - ein Schatzkästlein europäischer Kultur

Zwar wurzelt das Wienerische im bairisch-österreichischen Sprachboden, aber Geschichte und Nachbarschaften haben reichhaltige Spuren hinterlassen.

Ingesamt ist das "Weanarische" ein Schatzkästlein europäischer Sprachkultur - mit lateinischen, italienischen, französischen, ungarischen, tschechischen, kroatischen und vor allem böhmischen Elementen. Mein "Mutterdialekt" ist also eine Art "Phonogramm" zweitausendjähriger Stadtgeschichte. Ohne Türkenbelagerung kein "Kaffee", ohne "k.u.k." kein "Gulasch", keine "Bramburi", es gäbe auch die "wirkungsvollste und gefährlichste Waffe" der Wiener nicht: Das "Küss die Hand".

Da sich Sprache im Allgemeinen, somit auch das Wienerische im Speziellen, dem Wandel der Zeit unterliegt, verändern Wörter ihre Bedeutung, fallen der Vergessenheit anheim oder werden durch "modernere" aus dem täglichen Gebrauch verdrängt.

Eventuell auftretende kleinere Missverständnisse, die sich daraus entwickeln könnten, sollen unter dem Aspekt betrachtet werden, dass die Interpretation von Mundartbegriffen meistens auf der persönlichen Wahrnehmung beruht.

Die wissenschaftliche Annäherung an das Thema Wiener Dialekt muss ich den "Kapazundan" überlassen, wie z.B. dem respektgebietenden Lebenswerk der Frau Univ.Prof. Dr. Maria Hornung, oder den unverzichtbaren Klassikern von Peter Wehle (s. Literaturverzeichnis).


Ein Wörterbuch des Lächelns

Ernst genommen, aber nicht verbissen ernst geschrieben - in dieser Gemütslage habe ich das vorliegende Wörterbuch des Wienerischen zusammengetragen. Je länger ich daran arbeitete, desto enger wuchs es mir ans Herz. Schön war's, wenn es nun, da ich es vorlege, möglichst vielen anderen ebenso ans Herz wüchse.

Gedacht ist es für alle Wiener, die ein Stück sprachlicher Mundart bewahren und pflegen wollen.

Gedacht ist es aber auch für alle Nichtwiener, die sich dem Atem dieser Stadt, ihrem Dialekt, nähern wollen.

Und gemeint ist es wie das "Küss die Hand", charmant, intimvertraut und doch weltgewandt, eine Geste der Höflichkeitsform, die wie keine andere, eine ausdrucksstarke zwischenmenschliche Wertschätzung darstellt.

Ein kleiner Exkurs in die Wiener Küche darf selbstverständlich in keinem Buch über das Wienerische fehlen, ebenso wenig wie das Wienerlied, das wohl am besten das "Weana Gmiat" zum Ausdruck bringt.


Abschließend möchte ich mich bei allen, die mich bei dem vorliegenden Buch maßgeblich unterstützt haben, herzlich bedanken: dem Verlag, meinem Bruder Markus und allen, die mich aus dem Füllhorn ihrer Spracherinnerungen mit Beiträgen überschüttet haben.


Möge das Buch allen Lesern ein Lächeln auf die Lippen zaubern. In diesem Sinne: Küss die Hand!


Götz Kauffmann, Mai 2003