Vorwort
© ABC Advanced Book Catalog

Vorwort


Die Gruppe 47


Am 6. und 7. September 1947 trafen sich sechzehn junge Publizisten und Schriftsteller auf Einladung von Hans Werner Richter, dem ehemaligen Herausgeber des "Ruf, der "Unabhängigen Blätter der jungen Generation", um einander Manuskripte für eine neue Zeitschrift, den "Skorpion", vorzulesen und zu kritisieren. Diese Zeitschrift erschien nie. Doch es entstand damals, was unter dem Namen "Gruppe 47" repräsentativ wurde für die deutsche Nachkriegsliteratur. Ihre Tagungen wurden das exquisiteste Ereignis des deutschen Literaturbetriebs.

Mit der Gruppe 47 wollte Hans Werner Richter "weltzugewandte, politisch engagierte Schriftsteller" heranziehen: Lernen sollten sie die "Achtung der Meinung und des Könnens der anderen". Deshalb durfte sich der lesende Autor auf dem so genannten "elektrischen Stuhl" an der Kritik seines Texts nicht beteiligen. Anfangs wurde eine "naturalistisch-realistische" Literatur favorisiert: Eine nüchterne und klare Sprache sollte den verlogenen Schwulst der Nazisprache ablösen. Wolfdietrich Schnurres und Heinrich Bölls frühe Geschichten gaben dafür ein Muster ab.


Ab 1952 wurden zunehmend Töne einer moderaten Moderne vernehmbar: Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger, Martin Waiser und Günter Grass, Johannes Bobrowski, Peter Bichsel und Jürgen Becker - alles Preisträger der Gruppe 47 - haben die Gruppe 47 auch über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt gemacht. Als mit dem Ruhm seit Ende der 50er Jahre die Gruppe 47 immer mehr zum Handelsplatz für Lektoren, Verleger und Redakteure wurde, kamen freilich viele alte Mitglieder nicht mehr, dafür drängten viele junge Autoren in die Gruppe.

Die meisten prominenten Schriftsteller der Gruppe standen der Adenauer-Republik kritisch gegenüber und votierten 1961 und 1965 öffentlich für die Sozialdemokratie Willy Brandts. 1966 wurde die Gruppe 47 von einer neuen Schriftstellergeneration, von der einige mit dem kulturrevolutionären Radikalismus der außerparlamentarischen Opposition sympathisierten, nicht nur literarisch, sondern auch politisch in Frage gestellt. Ein Treffen, das Richter 1968 als letzte Gruppe 47-Tagung bei Prag plante, um danach wieder die Zeitschrift "Der Ruf herauszugeben, wurde vom Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei verhindert.

Die Gruppe traf sich danach nur noch zweimal: 1977 in Saulgau nostalgisch und 1990 in Dobřiš bei Prag rudimentär.