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Vorwort Das generelle Thema dieses Buches ist das Leib-Seele-Problem, das Verhältnis von Physischem und Seelisch-Geistigem. Es ist das zentrale Problem nicht nur der Philosophie des Geistes, sondern der Philosophie überhaupt, geht es dabei doch um das grundsätzliche Verständnis unserer selbst und der Wirklichkeit, in der wir leben. Dieses Problem ist bis heute ungelöst. Die drei klassischen Positionen zum Leib-Seele-Problem sind der Materialismus, der behauptet, das Seelisch-Geistige ließe sich als Teil der physischen Wirklichkeit begreifen, der Idealismus, der umgekehrt behauptet, das Physische ließe sich als Teil der seelisch-geistigen Welt verstehen, und der Dualismus, für den sowohl das Seelisch-Geistige wie das Physische eigenständige Realitäten sind, von denen sich keine auf die andere reduzieren lässt. Gegen jede dieser drei Positionen gibt es ernsthafte Einwände. Der Materialismus ist sogar widerlegt, der Idealismus ist, von einigen auf Dauer erfolglosen Wiederbelebungsversuchen abgesehen, seit den Tagen des Deutschen Idealismus tot, und der Dualismus, die schwächste der drei klassischen Positionen, kann nicht begreiflich machen, warum es zwei ganz verschiedenartige Realitätsformen geben soll und wie sie zusammenhängen. Bei näherem Zusehen gibt es aber von jeder dieser drei Positionen zahlreiche Varianten, und nicht alle von ihnen sind ausreichend erörtert worden. Es gibt eine Vielzahl von Wegen, die zu einem Verständnis des Leib-Seele-Problems fuhren könnten, viele haben sich bereits als Sackgassen erwiesen, andere sind aber noch unerforscht. So gleicht die Diskussionslage zum Leib-Seele-Problem heute einem Labyrinth; wir wissen einiges darüber, wie man nicht ans Ziel kommt, der Weg zum Ziel ist aber noch nicht gefunden. Auch wenn man auf die Problemgeschichte zurück blickt, erscheinen die Chancen für eine Lösung des Leib-Seele-Problems gering. Seit ihrem Beginn bei Platon werden im Grunde dieselben Positionen mit denselben Argumenten verteidigt bzw. angegriffen, und wenn man sich die moderne Literatur zur Philosophie des Geistes ansieht, findet man, dass all die alten Diskussionen neu aufgewärmt werden, oft in Unkenntnis der Ergebnisse früherer Erörterungen. Offenbar ist die Erkenntnis der Wirklichkeit in ihrer Grundverfassung ein mühsamer und langwieriger Prozess. Es ist aber nicht nur die Geschichte des Leib-Seele-Problems, die nicht so schnell eine definitive Lösung des Leib-Seele-Problems erwarten lässt, wir verfügen heute auch weder über eine umfassende und hinreichend gesicherte Theorie der physikalischen Realität noch über eine zureichende Vorstellung von den Dimensionen des Geistigen, und beides wäre Voraussetzung für eine abschließende Antwort. Mit dem Leib-Seele-Problem habe ich mich auch in meinem letzten Buch Jenseits des Materialismus (mentis 2003) befasst. Dort habe ich für einen Dualismus argumentiert. Den halte ich zwar weiterhin für richtig, er ist aber doch zu schwach, um ein befriedigendes Bild der Wirklichkeit zu ergeben. In diesem Buch will ich einen neuen Weg durchs Labyrinth erkunden. Ich gehe dabei von der Feststellung aus, dass ein fundamentales Verständnis der Wirklichkeit nur ein idealistisches Verständnis sein kann. Idealistische Theorien sind aber gerade besonders problematisch, denn es ist nie gelungen, plausibel zu machen, wie sich die physische Welt als etwas Geistiges verstehen lassen soll. Nun sind Positionen zum Leib-Seele-Problem keine detaillierten Theorien, sondern nur Ansätze zu einem Verständnis. Im Blick auf unsere unvollständige Kenntnis des Physischen wie des Geistigen lassen sie sich auch nicht zureichend begründen, ihre Durchführbarkeit sollte sich aber zumindest plausibel machen lassen. Was ich zur Durchführbarkeit des Idealismus zu sagen habe, reicht jedoch nur hin, um zu zeigen, dass er nicht so abwegig ist, wie das auf den ersten Blick scheint,sondern eine echte Option darstellt. Das mag wenig erscheinen, Philosophie hat sich aber nie auf das Begründbare beschränkt, zu ihren bedeutendsten und wirkmächtigsten Leistungen gehören vielmehr kühne spekulative Entwürfe, die uns die Wirklichkeit in neuem Licht zeigen. Ein solcher Entwurf ist auch der Idealismus. Die Arbeit besteht aus drei Teilen: Ich beginne in den Kapiteln 1 bis 10 mit einem Rückblick auf die Geschichte des Leib-Seele-Problems seit Descartes. Die Kapitel 11 bis 14 umreißen den gegenwärtigen Stand der Diskussionen zum Leib-Seele-Problem, und in den Kapiteln 15 bis 20 formuliere ich dann eine neue Version des Idealismus und untersuche, wie sie mit den typischen Schwierigkeiten des Idealismus fertig wird. Im ersten Teil geht es vor allem um die Geschichte des Idealismus. Sie ist jedoch mit der Geschichte anderer Positionen zum Leib-Seele-Problem so eng verbunden, dass ich nicht nur vom Idealismus sprechen kann. Tatsächlich werden wir nur zwei genuinen Idealisten begegnen: Berkeley und Fichte - was "genuin" heißen soll, sage ich im Abschnitt 5.5. Selbst wenn man den Idealismus in einem weiteren Sinn versteht, kommen nur wenige Idealisten hinzu. Ich beginne mit dem Dualisten Descartes, von dem alle neuzeitlichen Erörterungen des Leib-Seele-Problems ausgehen. Der Idealismus als Position zum Leib-Seele-Problem, um den es in dieser Arbeit geht, der ontologische Idealismus also, geht historisch vom erkenntnistheoretischen Idealismus aus, der These, dass die Gegenstände unserer Erfahrungen nicht Dinge der Außenwelt sind, sondern mentale Bilder von ihnen, Empfindungen oder Sinnesdaten. Daher muss ich auch auf Locke, Hume und Kant eingehen. Der kurze Gang durch die Geschichte der Philosophie von Descartes bis Hegel soll natürlich kein Beitrag zur Geschichtsschreibung der Philosophie sein, sondern nur den geschichtlichen Hintergrund der folgenden systematischen Überlegungen vergegenwärtigen, wobei die erforderliche Kürze manche Vereinfachung bedingt. In den Kapiteln 11 bis 14 wird der gegenwärtige Erkennmisstand zum Leib-Seele-Problem umrissen. Dabei ließen sich manche Überschneidungen mit Ausführungen in meinem letzten Buch Jenseits des Materialismus nicht vermeiden, da dieses Buch unabhängig von jenem lesbar sein soll. Im Kapitel 12 gehe ich zur Abgrenzung vom Idealismus auf relativistische und antirealistische Thesen ein. In den Kapiteln 15 bis 20 stelle ich dann eine neue Version des Idealismus vor, den Transzendenten Idealismus. Für den Idealismus ist das Geistige die einzige und die umfassende Realität. Daher versuche ich im Kapitel 15 zunächst die Dimensionen dieser Realität etwas auszuleuchten, eine Aufgabe, die in der gegenwärtigen Philosophie des Geistes oft zu kurz kommt, da sie sich vor allem darum bemüht zu zeigen, dass geistige Phänomene nichts anderes sind als neurologische Erscheinungen. Die Grundgedanken des Transzendenten Idealismus werden im Kapitel 16 entwickelt. Da dabei von Gott die Rede ist, erörtere ich im nächsten Kapitel die Legitimität solcher metaphysischer Theorien. In den letzten drei Kapiteln zeige ich dann, wie der Transzendente Idealismus mit den beiden zentralen Problemen fertig werden könnte, die physische Welt und Subjekte wie uns als geistige Schöpfungen zu verstehen. Ich behaupte nicht, der Transzendente Idealismus sei die richtige Antwort auf das Leib-Seele-Problem. Dazu brauchte ich bessere Argumente als ich sie habe. Ich will nur nachweisen, dass der Idealismus noch immer eine ernsthafte Option ist, nicht weniger als Dualismus und weit mehr als der Materialismus. Es kann sich daher lohnen, sich eingehender damit zu befassen, zumal er allein, wie ich zu zeigen versuche, der Weg ist, auf dem ein fundamentales Verständnis der Welt möglich würde. Wolfgang Lenzen danke ich für anregende Diskussionen über das Manuskript und manche wertvollen Hinweise. Michael Kienecker vom mentis Verlag gilt mein Dank für die wiederum gute und reibungslose Zusammenarbeit. |
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