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Vorwort


"Jeder Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf."
(Goethe)

Pakistan ist ein wenig bekanntes Land, das fernab der Touristenströme liegt. Für viele ist die pakistanische Kultur fremd, die Sitten sind ungewohnt und damit rätselhaft: Der Kulturschock scheint vorprogrammiert. Keine noch so gründliche Vorbereitung und Beschäftigung mit dem Land kann den Schock verhindern, aber er kann gemildert werden - und dieser Aufgabe ist das vorliegende Buch gewidmet.

Die Begegnung und Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur versetzt den einzelnen häufig in eine Situation des Nichtverstehens und der Verunsicherung. Überall lauern kulturelle Fallen und Fettnäpfchen, die Reisende unmöglich alle umgehen können. Darf ich der Frau meines Kollegen die Hand reichen? Wie verhalte ich mich in der Moschee? Warum kann ich mich hier auf keine Zusage verlassen? So mancher glaubt, an Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit zu verzweifeln, fühlt sich von dem ausgeprägten Selbstbewusstsein der Muslime zurückgewiesen oder empfindet Geschlechtertrennung und Verschleierung als absurd. Eigene, für selbstverständlich gehaltene Verhaltensmuster besitzen keine Gültigkeit mehr. Ein Gefühl der Orientierungslosigkeit stellt sich ein. Jeder kann seine - manchmal erst nach Wochen oder Monaten - eintretende Verhaltensunsicherheit aber abbauen, wenn er beobachtet, lernt und Verständnis für die Kultur seiner Gastgeber aufbringt. Versteht er, warum Westler als dekadent angesehen und gleichzeitig nachgeahmt werden, warum Ausländerinnen einerseits Freizügigkeit nachgesagt wird und Pakistanerinnen im Flugzeug nach Europa andererseits ihre Schleier ablegen, wird es ihm gelingen, mit dieser - dann nicht mehr so fremden - Kultur zurechtzukommen,

Um das heutige Pakistan zu verstehen, ist eine Beschäftigung mit der geschichtlichen und damit untrennbar verbundenen religiösen Entwicklung des Landes notwendig. Die Geschichte Pakistans ist geprägt durch eine Hochblüte städtischer Kultur und ständige Übergriffe von fremden Völkern mit ihren kriegslüsternen Herrschern. Griechen und Skythen, Arier, buddhistische und brahmanische Herrscher haben dem Land ihren Stempel aufgedrückt und Spuren ihrer eigenen Kultur hinterlassen. Die Ankunft des Islam in Indien schuf die Moghulkultur mit ihren unvergleichlichen Bauwerken. Die islamische Religion machte Pakistan vor genau 50 Jahren zu einem eigenständigen Staat und verleiht Pakistanern auch heute ihre Identität.

Häufig sind es persönliche Begegnungen, die einen intensiven Kontakt zu der fremden Kultur ermöglichen und Zugang zu Bereichen schaffen, die distanzierten Beobachtern verschlossen bleiben. Es ist ein langsamer Prozess mit vielen Rückschlägen, der zum gegenseitigen Verständnis führt. Die Geduld wird aber letztendlich belohnt, und der kulturelle Austausch führt zu einer persönlichen Bereicherung. Nach einem längeren Aufenthalt im Land werden BesucherInnen nicht mehr nur Unterschiede zwischen den Kulturen erkennen, sondern auch wahrnehmen, wie viele Gemeinsamkeiten es gibt und wie ähnlich wir uns in vielen Dingen sind.

Pakistan kann schockieren, verwirren und entsetzen - wem es allerdings gelingt, die Angst vor dem Unbekannten und die Vorurteile zu überwinden, der wird nach einer Bekanntschaft mit Land und Leuten schnell die Klischees von 1001 Nacht, engstirnigen Fundamentalisten und wilden Stammeskriegern entlarven. Pakistan bietet Reisenden eine faszinierende kulturelle Vielfalt, historische Begegnungen mit den Anfängen der städtischen Kultur und herzliche gastfreundliche Menschen in allen Teilen des Landes.

Im ersten Teil des Buches soll durch die Darstellung von Geschichte, Religion und Gesellschaft ein grundlegendes Verständnis für das, was die Menschen des Gastlandes geprägt hat und was ihr Leben bestimmt, geschaffen werden.

Einblicke in das Alltagsleben bieten im zweiten Teil die Möglichkeit, das Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen nachvollziehen zu können. Vieles, was zunächst rätselhaft und fremd erschien, wird durch dieses Verständnis nachvollziehbar.

Der letzte Teil soll helfen, Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Pakistanern und Ausländern aufzuzeigen und gute Beziehungen aufzubauen. Sich angemessen und angepasst verhalten zu können ist ein Weg, sich im Gastland sicher und wohl zu fühlen.


"Valentin: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.
Karlstadt: Das ist nicht unrichtig. - Und warum fühlt sich ein Fremder nur in der Fremde fremd?
Valentin: Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist und zwar so lange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt, dann ist er kein Fremder mehr.
Karlstadt: Sehr richtig! - Wenn aber ein Fremder schon lange in der Fremde ist, bleibt er dann immer ein Fremder?
Valentin: Nein. Das ist nur so lange ein Fremder, bis er alles kennt und gesehen hat, denn dann ist ihm nichts mehr fremd."
(Karl Valentin "Die Fremden")