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Vorwort

»Mich wundert, wo unser Gott Holz nimmet zu so mancherlei Brauch für alle Menschen in der ganzen weiten Welt, als Bauholz, Brennholz, Tischlerholz, Böttigerholz, Stellmacherholz, Holz zu Stuben, Schubkarn, Schaufeln, zu hölzern Kandeln, zu Fassen, Gelten etc. Und wer kann allen Brauch des Holzes erzählen? In Summa, Holz ist der größten und nöthigsten Dinge eines in der Welt, des man bedarf und nicht entbehren kann.«

In einer seiner Tischreden hat Martin Luther am 30. August 1532 das Holz und seine große Bedeutung für das menschliche Leben zum Thema gemacht. Holz ist ein Naturstoff, der die Kultur des Menschen von Anfang an begleitet und prägt - nicht nur in der Vergangenheit, dem »hölzernen Zeitalter«, auch heute noch. Wir erleben momentan eine Renaissance von Holz als Baustoff und Energieträger, die noch vor wenigen Jahren kaum einer für möglich gehalten hätte.

Umso erstaunlicher, dass es bislang kaum zusammenhängende »Stoffgeschichten« über das Holz gibt. Aber ist »Holz« überhaupt ein historisches Thema? Waldwirtschaft, Aufforstung, Holzschlag, Köhlerei, Holztransport, Holzverteilungssysteme, Holzhandwerke, Bauwesen, Brennholzwirtschaft, Pech-, Teer- und Pottaschegewinnung, dazu in moderner Zeit die Holzschliff- und Zellstoffindustrie: Viele dieser Themen werden in der Literatur meist getrennt voneinander behandelt. Ist es sinnvoll, sie in einen Zusammenhang bringen zu wollen?

Von den Verhältnissen der vorindustriellen Zeit her ergibt sich die Verbindung von selbst; denn viele Holzverbraucher standen in direkter Beziehung zum Wald, und alle hatten es in irgendeiner Weise mit den natürlichen und stofflichen Eigenschaften des Holzes zu tun. Heute tritt dieser Zusammenhang oft nur verhüllt in Erscheinung: Durch die modernen Transport- und Verteilungssysteme ist der direkte Zusammenhang zwischen Wald und Holzverwertung teilweise unterbrochen worden, und die natürlichen Eigenschaften des Holzes sind vielen industriellen Holzprodukten nicht mehr anzusehen.

Mit Blick auf die Zukunft ist es dennoch wichtig, den Zusammenhang der verschiedenen Bereiche der Holznutzung wieder bewusst zu machen. Die Verbindung ergibt sich zunächst durch die gemeinsame Ressource, den Wald. Die weltweite Begrenztheit dieser Ressource steht heute deutlich vor Augen; die jahrhundertealte Furcht vor Holzverknappung, die lange in Vergessenheit geraten war, lebt wieder auf. Zusammenhänge ergeben sich aber auch durch die Entwicklung der Technik. Die modernen Technologien zur Nutzung bisheriger Holzabfälle ermöglichen neue Formen der Koppelung verschiedener Holznutzungsarten (Holz als Werkstoff, als Brennstoff und als Material für die Zellstoffproduktion). Schon in der frühen Neuzeit gab es Bestrebungen, Holzabf ä lle zu nutzen und die Holzverwertung zu einem ineinander greifenden System zu machen; diese Bestrebungen sind heute zukunftsträchtig.

Schon früher kamen jedoch die verschiedenen Arten der Wald- und Holznutzung einander häufig in die Quere. Auch heute und in Zukunft besteht die Gefahr, dass zwischen den verschiedenen Interessen - maximale Nutzung der regenerativen Ressource Holz, optimale Nutzung der natürlichen Eigenschaften des Holzes, Rückkehr zu einer ökologisch stabilen Waldwirtschaft - Zielkonflikte auftreten. Auch das unterstreicht die Notwendigkeit, den gesamten Sektor »Wald und Holz« mehr, als das bisher meist geschieht, im Zusammenhang zu sehen: Nur dann können gefährliche Zielkonflikte rechtzeitig erkannt und bewältigt werden.

Darin liegt der Reiz, aber auch die Schwierigkeit für eine Stoffgeschichte Holz: Man stößt auf einen großen Zusammenhang der Geschichte, der bisher weithin unter der Oberfläche lag und von den Historikern nur wenig beachtet wurde. Unser Wissen darüber, wie in früherer Zeit der Wald die menschliche Existenz prägte und wie er auf die Beanspruchung durch den Menschen reagierte, ist noch sehr lückenhaft.

Zwar gibt es eine Fülle an forstgeschichtlichen Untersuchungen; aber diese stützen sich für die ältere Zeit vor allem auf die Masse der Forstordnungen. Was im Wald tatsächlich vor sich ging, ist damit noch nicht gesagt. Auch neigt die Forstgeschichtsschreibung dazu, frühere Waldzustände allein aus der Sicht der modernen Forstwirtschaft zu beurteilen, die den Wald fast nur als Holzproduzenten begreift.

Der Zusammenhang der Forstgeschichte mit der allgemeinen Geschichte, die Wechselwirkung zwischen Wald und wirtschaftlich-technischer Entwicklung ist noch wenig geklärt. Man kennt den gewaltigen Holzverbrauch mancher früheren Gewerbe, weiß aber noch nicht allzu viel über die Holzpolitik der Städte, über Strategien der Zukunftsvorsorge bei der Holzbeschaffung. Allgemeine Aussagen werden dadurch erschwert, dass gerade in der Holzwirtschaft die lokalen und regionalen Unterschiede ungewöhnlich groß sind.

Sogar die moderne Geschichte der Wald- und Holzwirtschaft ist weniger bekannt, als man meinen möchte. Obwohl Holz nach wie vor einer der vielseitigsten Werkstoffe und ein sehr gewichtiger Faktor der Weltwirtschaft ist, wird es von Ökonomen und Technologen nur wenig beachtet. Die Holztechnik ist keine »Spitzentechnologie«, die Holzindustrie keine spektakuläre Branche der Großindustrie - jedenfalls nicht in Mitteleuropa. Nach wie vor ist die Holznutzung ein unübersichtliches Gebiet, das sich über eine ganze Reihe von Branchen erstreckt. Nur eine Zusammenschau kann dem Faktor »Holz« sein volles Gewicht geben.

So verfolgt das Buch vor allem zwei Ziele: Zum einen geht es um technische Entwicklungen in der Be- und Verarbeitung des Holzes, zum anderen aber auch darum, am Beispiel des Holzes die Materialgebundenheit der technischen Entwicklung, die Umwelt- und Ressourcengebundenheit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte deutlich zu machen.

Bielefeld, im Sommer 2007
Joachim Radkau