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Vorwort



Das Fach der Frauenheilkunde ändert derzeit sein Profil: Während in den vergangenen Jahrzehnten die operative Intervention ein Zentrum unserer Disziplin war, wird die Notwendigkeit chirurgischer Eingriffe, vor allem aber auch die diesbezügliche Akzeptanz von seiten der Patientin, geringer. Darüber hinaus hat man erkannt, daß viele Indikationen für Operationen heute anders bewertet werden als früher, daß zahlreiche Pathologien, die in der Vergangenheit zur Organentfernung führten, konservativ therapiert werden können und daß die Hormone des Ovars einen weit über die Reproduktion hinausgehenden Aktionskreis besitzen.

Geändert hat sich auch das Rollenbild des Gynäkologen: Während er sich früher präferentiell den Erkrankungen des weiblichen Genitales widmete, fordert die mit Recht zunehmende ganzheitliche Betrachtung in der Medizin vom Frauenarzt ein größeres Wissen, das ihm die Interpretation und Behandlung jener Erkrankungen ermöglicht, die nicht am Genitale lokalisiert sind, wohl aber mit der weiblichen Reproduktion und den ovariellen Steroiden zusammenhängen. Der Bogen reicht dabei von der depressiven Verstimmung bis zum Tinnitus. Aus dem Fach der Frauenheilkunde wird damit eine neue Disziplin, nämlich eine Wissenschaft für frauenspezifische Medizin.

Der Gynäkologe muß diesem Trend Rechnung tragen und dies auch bei seiner Ausbildung verstärkt berücksichtigen. Unser derzeitiges gynäkologisches Weltbild wird durch die Erkenntnisse der Molekularendokrinologie und der Molekularbiologie nicht nur verändert, sondern revolutioniert. Es ist anzunehmen, daß die Lehrbücher für die klinischen Fächer innerhalb der Medizin in den nächsten Jahren völlig umgeschrieben werden müssen, und dies trifft natürlich auch für das Fach der Frauenheilkunde zu.

Das vorliegende Buch ist ein Versuch in mehrerer Hinsicht: Einerseits soll es die Aspekte einer frauenspezifischen Medizin aufzeigen, andererseits auf die täglich neu hinzukommenden wissenschaftlichen Daten aufmerksam machen, die zur Neuinterpretation unseres Faches führen. Und schließlich soll es dem niedergelassenen Gynäkologen Hilfestellungen für seine tägliche Sprechstunde geben, in denen ein großer Teil der Patientinnen erfahrungsgemäß an endokrinen Problemen leidet, die aber nicht in der gleichen Proportionalität während der Ausbildung vermittelt und gelehrt werden. Ob sich ein Großteil gynäkologischer Probleme aus der Ecke der Endokrinologie wird lösen lassen, bleibt abzuwarten. Meine derzeitige Meinung ist es, und diese soll hier als konstruktive Provokation in die Welt gesetzt werden.