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Vorwort Das wohl herausragendste Merkmal von Renzo Pianos Arbeit ist die beachtliche Palette der von ihm entworfenen Bauten, die sich auszeichnen durch ein breites typologisches Spektrum sowie eine große Formen-, Material- und Konstruktionsvielfalt. In einem Zeitraum von nur sieben Jahren spannt sich der Bogen von der riesigen Megastruktur des Flughafenterminals Kansai (1988-1994) bis zum Wohnkomplex in der Rue de Meaux in Paris (1987-1991), vom San-Nicola-Stadion in Bari mit einer Zuschauerkapazität von 60000 bis hin zu dem einzigartigen Kulturzentrum J. M. Tjibaou in Neukaledonien, mit dessen Bau 1991 begonnen wurde. Im vergangenen Jahrzehnt war der Renzo. Piano Building Workshop rund um den Globus tätig, in Nordfrankreich und Süditalien genauso wie im Süden Japans oder auf einer entlegenen Pazifikinsel. Trotz der Parallelität der Projekte tragen diese in Entwurf und Ausführung eine völlig unterschiedliche Handschrift, wobei die verschiedenartigsten Konstruktionselemente und Verkleidungsmaterialien zum Einsatz kommen. Die Bandbreite reicht bei den genannten Bauwerken von der langgestreckten Edelstahlschale bis zur Fassade aus Terrakottafliesen, vom massiven, auskragenden Betonstadion mit einer leichten Sonnenzeitdach-Konstruktion bis hin zur seriellen Verwendung von monumentalen Lamellenjalousien aus Mahagonieholz, sogenannten "kivas". Letztere wurden als doppelschichtige, dreidimensionale, korbartige Schalen konzipiert in Anlehnung an die ethnographischen Ursprünge des Kanak-Kulturzentrums, das derzeit in Noumea in Neukaledonien seiner Vollendung entgegengeht. Die Bauvorhaben verschiedenen Umfangs, die in den letzten fünfzehn Jahren entworfen und realisiert worden sind, haben insgesamt vermutlich mehr zur heutigen Reputation des Building Workshop beigetragen als irgendein anderer Auftrag seit der Fertigstellung des Centre Pompidou in Paris. Hierbei scheint die Menil Collection (1982-1986) in Houston, Texas, eine Schlüsselrolle gespielt zu haben, und zwar im Hinblick auf das hohe Niveau der praktischen Umsetzung, da bewußt zwischen dem topographischen Charakter des Standorts und dem Produktionsmodus differenziert wurde. Im Idealfall sollte eine Lösung dieser impliziten Opposition von "Form des Ortes" und "Form des Produkts" möglich sein, was beim Menil-Museum voll und ganz gelungen ist. Während seines gesamten Berufslebens hat sich Piano immer um eine mythenfreie Architektur bemüht, mit einer Ausnahme: dem Mythos vom angeborenen, welterschaffenden Urtrieb des Homo faber. Dieser ist im Falle Pianos von besonderer Bedeutung, entstammt seine Familie doch der Kultur des Mittelmeerraums mit seinem alteingesessenen Schiffsbauerhandwerk. Der in seinem Charakter so tief verankerte Antiakademismus zeugt von einer Prä-Renaissance-Geisteshaltung, die sicherlich mitverantwortlich sein dürfte für so manche Konfliktsituation im Verlauf seiner beruflichen Karriere: einerseits seine Verpflichtung der Baconschen empirischen Wissenschaft, das heißt der angelsächsischen pragmatischen Tradition gegenüber, und andererseits sein Respekt für das italienische Handwerk - "il niestiere" -, in dem man nur durch handwerkliche Lehre zur Meisterschaft gelangen kann. Was seine berufliche Politik angeht, so steuert Piano seit jeher einen unabhängigen Kurs, indem er einer kritischen Teamwork-Ethik sowie dem Grundsatz treu bleibt, daß es in der "Baukunst" niemals nur einen einzigen Urheber gibt (kaum ein anderer respektiert heutzutage seinen Mitarbeiterstab in einem solchen Maße wie er). Im Gegensatz zur Welt der Spätmoderne, in der die Architektur sich ständig selbst überbietet im grotesken Versuch, ihren Anspruch als eine neue Form der bildenden Kunst zu behaupten, vertritt Piano nach wie vor die Ansicht, daß der Architekt alle Einzelaspekte des gesamten Bauprozesses beherrschen und unter Kontrolle haben sollte. Für Piano und seinen Building Workshop liegt die Zukunft der Berufssparte mit Eintritt in das kommende Jahrtausend darin, daß diese ihr Können und ihre Fähigkeiten dazu einsetzt, die ständig wachsenden, komplexen bautechnischen Aufgaben auf einem höchstmöglichen Niveau zu lösen. Ob uns dies eine Architektur beschert, die nachweislich der humanistischen Tradition verpflichtet sein wird oder nicht, das ist eine Frage, die - was Piano angeht - diskreterweise offenzulassen ist. |
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