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Vorwort


Der Titel "Aufmerksame Wege" ist bewußt sprachlich sperrig gewählt: Er will Aufmerksamkeit erregen. Sie soll einem Weg gelten, den der Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola gewiesen hat. Er tat dies auf dem Boden unzähliger, auch unbekannter Wegbereiter der Jahrhunderte vor ihm. Nun findet dieser Weg der "Geistlichen Übungen", allgemein "Ignatianische Exerzitien" genannt, eine überraschende Fortsetzung, die sicherlich Aufmerksamkeit verdient. Seit einem guten Jahrzehnt fassen die Exerzitien im Bereich evangelischer Spiritualität in erstaunlichem Umfang Fuß, finden Antwort, gewinnen Gestalt. Es ist nicht selbstverständlich, daß sich dieser Weg als begehbar erweist. Denn diese Vorgänge ereignen sich nicht etwa im "Heimatland" des Verfassers, sondern in dem von seinem Orden seinerzeit aufs härteste bekämpften Gebiet, dem der reformatorisch geprägten Frömmigkeit. Zudem zeigt die auf viele Menschen so abweisend, ja gefährlich erscheinende Mauer "Jesuiten" und "Jesuitische Frömmigkeit" plötzlich offene Tore für spirituell Suchende jeder Art. (Ein Kuriosum, das aber vielleicht typisch ist, sei hier genannt. Die sieben Teilnehmer/innen eines Exerzitienkurses in Oktober 1998 waren: eine katholische Theologin und sechs evangelische Christen, davon fünf Pfarrer/innen.)

Dieser für viele Menschen neue und unbekannte Weg ist es, der Aufmerksamkeit und Neugierde erregen sollte, bei denen, die ihn noch nicht kennen. Sein Ziel ist die Verlebendigung und Neugestaltung des eigenen geistlichen Lebens. Das grundlegende Anliegen der Frömmigkeit aller Zeiten, in Beziehung zu Gott zu kommen, kann durch die Exerzitien in sehr präziser Art eine gültige individuelle Form finden. Aber nicht nur auf die Frömmigkeit soll sich diese Aufmerksamkeit richten, sondern, durch sie bewirkt, ebenso auf das soziale und politische Leben. Spiritualität bezieht sich nicht nur auf die eigene Person oder die eigene Kirche, sondern auf die gesamte Welt in allen ihren Bereichen.

Über diesen Weg, und über die auf ihm gemachten Erfahrungen, berichten je nach ihrer persönlichen Entwicklung im Folgenden die Autorinnen und Autoren. Diesen Berichten folgen andere Beiträge, die sich mit verschiedenen Aspekten der Exerzitien befassen. Am Schluß findet sich ein Informationsteil, der die bisherige Entwicklung der Exerzitien im evangelischen Raum skizziert. Schließlich werden Adressen genannt, die vor allem für Menschen nützlich sind, die praktische Erfahrungen machen wollen.

Zwei Ziele hat sich dieses Buch gesetzt: Es will einerseits Hilfe bieten für alle, die nach einer Vertiefung ihres spirituellen Lebens suchen. Andererseits soll es eine Diskussion in Gang setzen. Je kontroverser sie verläuft, desto ergiebiger und erfreulicher dürfte sie sich auswirken. Ein so wenig selbstverständlicher Vorgang, nämlich die Akzeptanz eines genuin römisch-katholischen geistlichen Weges im Bereich evangelischer Frömmigkeitsausübung sollte nicht unkommentiert bleiben.

Meinen herzlichen und persönlichen Dank möchte ich Herrn Dr. Wolfgang Dietzfelbinger aussprechen. Er hat mir - und vielen anderen - durch seinen Mut zu dem ungewöhnlichen Schritt, die Ignatianischen Exerzitien im Evang.-Luth. Pastoralkolleg Neuendettelsau im theologischen Fortbildungsprogramm anzubieten, neue und fruchtbare geistliche Dimensionen für mein Leben gegeben.

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Sammelbandes danke ich sehr herzlich für ihre Bereitschaft, Arbeitskraft und Geduld. Herzlicher Dank sei auch dem Landeskirchenrat der Evang.-Luth. Kirche in Bayern für einen namhaften Druckkostenzuschuß gesagt. Nicht zuletzt danke ich besonders meiner Frau, aber auch Freunden und Freundinnen, für ihre liebevolle und kritische Begleitung des gesamten Vorhabens.


Gerhard Münderlein