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Vorwort

Zunehmende Komplexität und Flexibilität verfahrenstechnischer Produktionsanlagen, aber auch steigende Qualitäts-, Umwelt- und Rentabilitätsanforderungen machen den Einsatz intelligenter Verfahren der Automatisierungs- und Leittechnik notwendig. Dieses betrifft nicht nur die oberen, der Unternehmens- und Produktionsleitung nahestehenden Ebenen der Automatisierungspyramide, sondern gilt auch vermehrt in den unteren Ebenen der prozessnahen Regelungen und Steuerungen. Als Beispiele solcher intelligenter Automatisierungsaufgaben, die prozessnah auszuführen sind und fortan unter dem Begriff Advanced Control verstanden werden, seien hier entkoppelnde Mehrgrößenregelungen, Modellbasierte Prädiktive Regelungen, Flachheitsbasierte Vorsteuerungen nichtlinearer Prozesse oder die beobachtergestützte Generierung von Sensorsignalen nicht direkt messbarer Größen durch Soft-Sensoren genannt.

In vielen industriellen Bereichen, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie, werden Verfahren und Werkzeuge zum sogenannten Rapid Control Prototyping sehr erfolgreich eingesetzt, um intelligente Automatisierungsverfahren schnell und zuverlässig und damit auch kostengünstig auf verschiedenste Hardwareplattformen umzusetzen. Kennzeichnend ist die automatische Generierung von Automatisierungslösungen, die direkt am realen Prozess einsetzbar sind, ausgehend von der Simulations- und Entwicklungsumgebung. Durch den Einsatz des Rapid Control Prototyping wird es möglich, Verfahren des Advanced Control aus der Simulations- und Entwicklungsumgebung heraus schnell, kostengünstig und zuverlässig in den betrieblichen Einsatz zu bringen. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Effizienz und Qualitätssicherung beim Systementwurf geleistet.

In prozessleittechnischen Anwendungen sind die durchgängigen Entwurfsverfahren des Rapid Control Prototypings jedoch bisher nahezu unbekannt. Aufgrund der Randbedingungen verfügbarer Geräte, aber auch angesichts unabdingbarer Sicherheitsanforderungen ist eine Integration höherer Regelungsverfahren in das Leitsystem derzeit meist nur in der Leitebene möglich (z.B. Anbindung einer PC-Workstation über die Softwareschnittstelle). Dies erfordert neben der Entwicklung des Regelalgorithmus meist zusätzlichen leittechnischen Aufwand und führt zu großen Abtastintervallen der Prozessgrößen. Strukturen dieser Art stellen deshalb bisher lediglich Insellösungen für Spezialfälle dar. Aktuelle Produkterweiterungen von Prozessleitsystemherstellern, die erste Advanced Control Funktionsbibliotheken bereitstellen, unterstreichen den Bedarf an weitergehenden Funktionen, die über das "Arbeitspferd" PID-Reglerbaustein hinausgehen.

Mit dem Ziel, die aufgezeigte Diskrepanz zu überbrücken, wurde ein F&E-Projekt in Kooperation der Siemens AG (Bereich Automation and Drives) und der RWTH Aachen (Lehrstuhl für Prozessleittechnik, Institut für Regelungstechnik) durchgeführt, mit dem die Durchgängigkeit von MATLAB/SIMULINK zu prozessnahen Funktionen eines Leitsystems geschaffen wurde. Ein wesentlicher Aspekt ist die vollständige und sichere Integration von Verfahren des Advanced Control in das Prozessleitsystem SIMATIC PCS7 auf der Feldebene. Für die damit geschaffene Einbindbarkeit beliebiger, auf der Basis MATLAB/SIMULINK definierter Funktionen in die Leitsystemkonfiguration wurde die Kurzbezeichnung TIAC (Totally Integrated Advanced Control) gewählt.

Das vorgelegte Buch, welches das Umfeld und die Ergebnisse des TIAC-Projektes reflektiert, dürfte somit eines der ersten sein, welches die Umsetzung des Rapid Control Prototyping zur zeitnahen und effizienten Umsetzung von Advanced Control für verfahrenstechnische Anlagen behandelt. Die praktische Umsetzung, mit leittechnischen Methoden in die betriebliche Prozessebene vorzudringen, wird detailliert und anschaulich beschrieben. Geeignete Einsatzgebiete sind nahezu alle Industriezweige - von der chemischen, pharmazeutischen, biotechnologischen Industrie bis zur Kunststoffindustrie.

Neben den geschilderten Inhalten ist das Buch auch Zeugnis einer gelungenen Kooperation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus universitärem und industriellen Umfeld. Alle brachten ihre verschiedenen Sichten und Kompetenzen in das TIAC-Projekt ein und konnten dabei viel von einander lernen. Besonders erfreulich - nicht nur aus Sicht der Herausgeber - ist dabei die Tatsache zu werten, dass die Projektbeteiligten für gemeinsame bzw. abgestimmte Publikationsanstrengungen gewonnen werden konnten, die schließlich auch zu diesem Buch führten.

Wir danken allen Mitwirkenden, die am TIAC-Projekt und an der Erstellung dieses Buches beteiligt waren und dort namentlich als Autoren verankert sind. Wie im universitären Bereich unvermeidbar, haben sich viele dieser Mitwirkenden bereits während der Entstehung des Buches neuen Aufgaben in der Industrie zugewandt. Unser besonderer Dank gilt daher Dipl.-Ing. Anja Brunberg, die die Fäden in der finalen Phase zusammenhielt, in der längst nicht mehr alle Autoren "an Bord" waren.

Gedankt sei auch dem Wiley-VC H Verlag und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem Dr. Waltraud Wüst und Hubert Pelc für ihre Anregungen, Ausdauer und Geduld, ohne die das Buch nicht entstanden wäre

Im März 2008

Dirk Abel, Ulrich Epple und Gerd Ulrich Spohr