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Vorwort

Pfähle gehören zu den wichtigsten Gründungsarten. Die Entwicklung vom Bohrpfahl zum Großbohrpfahl mit den Innovationen bei den Herstellverfahren und Geräten führte dazu, daß heute immer größere Pfahltiefen und -durchmesser erreicht werden können. Damit nimmt auch die Intensität der Baugrundnutzung zu. Die Bedeutung der Pfahlgründungen spiegelt sich auch in der Vielzahl von Pfahlsystemen auf dem Baumarkt wider.

Die Vielfalt und der Stellenwert von Pfahlgründungen - insbesondere mit Großbohrpfählen - für Hoch-, Industrie- und Tiefbau sowie für Verkehrs- und Wasserbauten sind bemerkenswert. Mit Hilfe von Pfählen werden Bauwerkslasten auf oder in tiefliegende Schichten abgetragen. Die modernen Großbauten stellen den Bauingenieur vor die Aufgabe, immer größere, konzentrierte Lasten ohne schädliche Setzungen auf/in den Baugrund abtragen zu müssen. Dazu sind stark mechanisierte Herstellungsverfahren entwickelt worden, die dieser Forderung Rechnung tragen.

Wirtschaftliche Überlegungen führen dazu, daß in zunehmendem Maße für konzentrierte Lasten Pfahlgründungen auch dort zur Anwendung kommen, wo früher eine Flachgründung gewählt wurde. Damit können Umspundungen und Wasserhaltungen vermieden, Beton für Fundamente gespart sowie Konstruktion und Bauablauf vereinfacht werden.

Pfähle und Pfahlgründungen zu entwerfen und herzustellen erfordert umfangreiche Kenntnisse. So ist die Auswahl des geeigneten Pfahltyps und der Methode für den Einbau bei dem vorhandenen Baugrund und der Art der Lastaufbringung von großer Bedeutung. Um das Verhalten des Pfahles vorherzusagen, sobald er in dem Untergrund "steht, hängt oder sitzt" und belastet wird, ist Ingenieurwissen und viel Erfahrung gefragt. Das Tragverhalten ist vorrangig beeinflußt durch die Methode der Herstellung und kann nicht alleine aus den physikalischen Eigenschaften des Pfahles und des ungestörten Bodens vorhergesagt werden. Die Kenntnis von dem Pfahltyp und seiner Herstellart ist ausschlaggebend für ein gründliches Verstehen seiner Wechselwirkung mit dem Baugrund; nur so können realistische Theorien über sein Tragverhalten aufgestellt werden.

Das Buch enthält eine Zusammenstellung der wichtigsten - fast aller - Gesichtspunkte, die für diese Thematik und deren Beurteilung erforderlich sind.

Die Autoren schätzen sich in der glücklichen Lage, über einen langen Zeitraum die Pfahlentwicklung begleitet und auch teilweise an der Entstehungsgeschichte der Großbohrpfähle mitgewirkt zu haben. Dazu hat ihre Tätigkeit im Hause der Firma Bilfinger+Berger Bauaktiengesellschaft, Mannheim, wesentlich beigetragen. Auch gilt hier der Dank den zahlreichen Kollegen, mit denen die Autoren über viele Jahre hinweg zusammengearbeitet haben.

Von der Fa. Bilfinger+Berger sind im Laufe der vergangenen Jahrzehnte herausragende Pfahlgründungen hergestellt worden. In den geschichtlichen Dokumenten des Unternehmens finden wir einen Bericht aus dem Jahr 1933 über die Entwicklung eines eigenen Systems zur Herstellung von Ortbetonpfählen, durch das "die Nachläßigkeit und Unachtsamkeit der Arbeiter in höchstmöglichem Maße ausgeschaltet und die bei anderen Systemen so gefährlichen Einbrüche von Schlamm ausgeschlossen" werden sollen. Ihre bisherige Krönung fand diese Entwicklung dann im Jahr 1998 mit den Gründungsarbeiten der My Thuan Bridge über den Mekongfluß in Vietnam: mit Bohrtiefen von ca. 100 m und Durchmessern bis zu 2,50 m wurde eine neue Dimension aufgezeigt. Dazu gehört natürlich eine erfahrene und verläßliche Truppe - bis hin zum "letzten Mann".

Bohrpfähle sind als eigenständiges Thema bisher nicht umfassend in der deutschen Literatur behandelt worden. So war es der Wunsch der Autoren, den derzeitigen Stand der Theorie und Praxis zusammen mit den eigenen Erfahrungen festzuschreiben.

Dieses Buch ist sowohl als Hilfe für den Entwurf wie auch für die Ausführung gedacht. Es soll Ingenieurbüros, Behörden, Studenten und auch den Praktikern dazu dienen, ihr Wissen abzurunden.

Aus der weltweiten Tätigkeit der großen Fachfirmen im Spezialtiefbau, der Zusammenarbeit der Pfahlspezialisten im Rahmen der europäischen Normung und den eigenen Erfahrungen - vor allem bei den Gründungsarbeiten der weltweit größten Schrägkabelbrücke Pont de Normandie - kamen Anregungen für dieses Werk. In anderen Sprachen gibt es wenig Vergleichbares, und wenn es so etwas gibt, dann sind die beiden Teile der Theorie und Praxis ungleich behandelt.

Die zahlreichen Veröffentlichungen weltweit zeigen, daß die Berechnung, Bemessung und Herstellung von Pfählen und die daraus folgenden Gründungen mit der Bewertung des Baugrundes, der Gerätetechnik und der Interpretation von Versuchsergebnissen auf landestypischen Philosophien beruhen. Dieses Buch berücksichtigt diese Besonderheiten, faßt auch internationale Erfahrungen zusammen.

Der handwerklichen Herstellung von Pfählen wird immer weniger Beachtung geschenkt. Vieles ist bei diesen Arbeiten zur Selbstverständlichkeit geworden. Dieses Buch enthält umfangreiche Details hierzu und erläutert auch die speziellen Besonderheiten. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Werkzeug- und Gerätetechnik geht weiter; grundlegend neue Entwicklungen sind zur Zeit nicht in Sicht.

Die Grund- bzw. Spezialtiefbauer oder auch Geotechniker leiden darunter, daß das Ergebnis ihrer Arbeit oft in dem Bauwerk oder Baugrund verschwindet, zugleich bleibt aber die Pfahlgründung ein lebenslanger Bestandteil des Bauwerkes. Sie sind die heimlichen Architekten des Untergrundes und wichtige Garanten der Sicherheit des Bauwerks und seiner Nutzer.

Einen besonderen Dank für die Mitarbeit an Herrn Dipl.-Ing. Heinrich Borsy, Weinheim, der in mühevoller Kleinarbeit über viele Jahre hinweg viele der Details erarbeitet und so dem Handbuch auch seinen Stempel aufgedrückt hat.


Mannheim, im Januar 2000 Jörn M. Seitz
Heinz-Günter Schmidt