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VORWORT



Die Visionssuche war einst in alten Kulturen das Tor zum Reich des Spirituellen. Die Suche konnte sich dabei als Rückzug in die Natur gestalten, als Suche nach Visionen oder als Pilgerfahrt - allesamt waren sie Reisen in das innere Selbst, wodurch sich dem Visionär die Richtung und der Sinn seines Lebens enthüllten. Westliche Kulturen besitzen traditionell keine entsprechenden Übergangsriten. So läßt sich nur mutmaßen, wie sich die Menschen im Altertum den Wundern und Mysterien näherten, die am tiefsten Grund des Lebens angesiedelt sind. Mit dem aufkeimenden Interesse an Spiritualität, das eng mit einer neuen Sichtweise auf die Natur einhergeht, erwachte in vielen wieder die Sehnsucht, zu den spirituellen Wurzeln zurückzukehren. Viele vernahmen wieder den Ruf der Visionssuche.

Im Lauf der Jahre nahmen Menschen aus achtzehn Ländern an meinen Seminaren zur Visionssuche teil - was für mich eine äußerst erfüllende und lohnenswerte Erfahrung war. Und oft hörte ich dabei die immer gleichen, tief empfundenen Nöte: "Welchen Sinn hat das alles?" "Wie kann ich ein erfülltes Leben führen?" "Wie kann ich meine Beziehung retten?" "Wie kann ich mich dem Geist nähern?" "Wie kann ich glücklich sein?" Jeder einzelne von ihnen war auf der Suche nach einem heiligen Ort in sich, der wirklich, wahrhaftig und wahr ist.

Wenn sich Visionssuchende in die Einsamkeit der Natur begeben, vollziehen sich Bewußtseinsverschiebungen. Alte Erinnerungen werden an die Oberfläche gespült und wollen gelöst werden. Sie werden mit Ängsten konfrontiert. Lebenssinn taucht auf. Im Zustand gesteigerter Wahrnehmung, die sich bei einer Suche ergibt, können sich archetypische Bilder einstellen. Aus einem Baum wird ein weiser Lehrer. Eine Wolke wird zu einem Engel. Ein Lied, das Stärke verleiht, wird empfangen. Aus der Dunkelheit spricht eine Stimme. Das Unerklärbare, Mysteriöse geschieht. Das Verständnis des eigenen Selbst vertieft sich, und oft finden bemerkenswerte Transformationen statt.

Zu sehen, wie jemand sich seinen Ängsten stellt oder die ersten Schritte unternimmt, um sich einen lebenslangen Traum zu verwirklichen, gehört zu den erfüllendsten Aspekten meiner Arbeit. Briefe, die ich von Teilnehmern noch Jahre nach ihrer Suche erhalte, bestätigen, daß ihre Erfahrungen weitreichende Folgen nach sich ziehen. Aus dieser Befriedigung heraus erwuchs in mir das Bedürfnis, meine Erfahrungen einem größeren Publikum mitzuteilen.

Um Erfahrungsberichte für dieses Buch zu sammeln, schrieb ich die ehemaligen Teilnehmer meiner Seminare an. Die Antworten kamen zunächst tröpfchenweise, wuchsen dann aber zu einer wahren Flutwelle an. Ich war erstaunt und erfreut sowohl über ihre Anzahl als auch die Intensität, die sich in ihnen ausdrückte.

Die Lektüre dieser Briefe war eine äußerst erfüllende Aufgabe. Ein immer wiederkehrendes Thema war der bleibende Wert der Visionssuche. Viele mit überschwenglichen Adjektiven geschmückte Briefe - "es war einfach faszinierend", "es hat mein Leben für immer verändert", "auf jeden Fall das Beste, was mir jemals widerfahren ist" -, habe ich, dem Gebot journalistischer Sachlichkeit folgend nicht aufgenommen. Auch einige der bemerkenswertesten Geschichten habe ich weggelassen, da sie die Glaubwürdigkeit arg strapazieren würden - obwohl ich persönlich davon überzeugt bin, daß sie wahr sind. Ebenso sehr ergreifende Briefe, deren Themen von sehr privater Natur sind oder sich wiederholen. Die Auswahl der Briefe war nicht einfach, da jeder einzelne von ihnen aus dem Herzen kam.

Einige Zitate beziehen sich auf die Insel, auf der ich gegenwärtig meine Visionssuchen abhalte. Die Teilnehmer verbringen in Tipis ihre Vorbereitungszeit auf diesem von Seehunden, Adlern, Seeottern und Walen umgebenen Eiland; Rehe und Waschbären durchstreifen die Wälder. Viele Bemerkungen künden von der Schönheit dieses besonderen Ortes. Um dessen Privatsphäre zu schützen, habe ich in diesem Buch die Insel einfach Sacred Island, heilige Insel, genannt. Es ist ein angemessener Name, da die amerikanischen Ureinwohner die Insel als heiligen Ort achten.

Hinsichtlich der Quellenangabe baten mich manche Briefeschreiber, sie mit vollen Namen zu nennen, andere wollten unter Pseudonym genannt werden, wieder andere nur mit dem Vornamen oder dem spirituellen Namen, der ihnen während der Suche eingegeben wurde. Ich bin diesen Wünschen nachgekommen.

Meadow Marie Linn, meine achtzehnjährige Tochter, die bereits sechs Visionssuchen hinter sich hat, schrieb das Kapitel über Jugendliche. Sie griff dabei auf Tagebucheinträge und Auszüge aus Briefen zurück, die ihr ihre Freunde von der Mountain School in Vermont, mit denen sie eine viertägige Visionssuche unternahm, zukommen ließen. Meadow und ich glauben leidenschaftlich an den Wert eines zeitweiligen Rückzugs in die Natur. Wenn man uralte Weisheiten und moderne Technik miteinander verbindet, kann man - davon sind wir überzeugt - ins Zentrum der eigenen Seele reisen.